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Der Frauenhaendler

Der Frauenhaendler

Titel: Der Frauenhaendler
Autoren: Giogio Faletti
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und niemand wollte sie ein letztes Mal sehen. Jetzt sind sie nur noch zwei Namen und ein Foto auf einem Grabstein und in gewissen Kreisen, wenn man sich an sie erinnert, eine einzige Peinlichkeit.
    Wie auf der ganzen Welt erinnert man sich auch in Italien gelegentlich. Gelegentlich zieht man es aber auch vor zu vergessen.
    Rührei und Toast kommen im selben Moment, als Pilar im Bademantel aus der Glastür zum Wohnzimmer tritt. Ihre Füße sind nackt, und ihr Haar glänzt feucht. Offenbar hat sie gerade geduscht. Sie wirft einen Blick aufs Panorama und streckt sich, bevor sie sich neben mich setzt.
    » Cómo estás, mi hermoso italiano? «
    Ich nehme ihre Hand und küsse die Haut, die nach Seife und nach schöner Frau riecht.
    »Sehr gut. Wie könnte es anders sein?«
    Pilar zeigt auf das Rührei und schaut Feliciana an.
    »Kann ich das auch bekommen?«
    Als die Frau in der Küche verschwindet, stibitzt Pilar eine Scheibe Toast von meinem Teller. Sie knabbert daran herum und tut so, als wäre sie ein Hamster. Dann lacht sie, wie sie es immer tut, wenn sie diesen Gag macht. Aus einer Karaffe gießt sie sich coco frío ein.
    »Was machst du heute?«
    »Ich muss zum Pueblo del Viento fahren. Dort findet ein Treffen wegen eines neuen Einkaufszentrums statt. Sie wollen wissen, ob ich die Absicht habe, Geld in das Projekt zu stecken.«
    »Und hast du?«
    »Die Absicht oder das Geld?«
    Statt es zu essen, bewirft sie mich mit dem letzten Stück Brot.
    » Estúpido .«
    Ich breite die Arme aus, als müsste ich mich mit dem Offensichtlichen abfinden.
    »Das Problem sind nicht die Absichten, das Problem ist immer das Geld.«
    Sie beugt sich zu mir und umarmt mich. Dann legt sie ihre Stirn an meine.
    »Mein armer Schatz, kein bisschen Geld in der Tasche. Ich habe gehört, dass in einem Hotel in Pampatar ein steinreicher Schweizer logiert, der schönen Frauen gegenüber sehr großzügig ist. Wenn du möchtest, besorge ich dir ein wenig.«
    Diese Worte versetzen mich in eine andere Zeit zurück. Als ich es war, der sie aussprach. Vertauschte Rollen. Eine kleine Wolke zieht über den Maihimmel, und ich tue alles, damit Pilar sie nicht bemerkt. Vergeblich.
    »Ich denke nicht, dass das nötig ist.«
    Sie schaut mich verdutzt an. Dann bricht sie in Lachen aus.
    »Du bist eifersüchtig. Madre de Dios , du bist eifersüchtig. Hermoso y celoso .«
    Sie steht auf und setzt sich auf meine Knie. Sie umarmt mich. Die Feuchtigkeit des Bademantels, die Feuchtigkeit ihrer Haare, die Feuchtigkeit ihrer Lippen.
    » Te quiero .«
    » Yo te quiero también .«
    Das ist das zweite Mal innerhalb weniger Stunden, dass wir uns das sagen, und das missfällt mir nicht im Geringsten. Pilar hat sich wie ein unerwartetes Geschenk in meinem Leben eingenistet. Eine wohlhabende Touristin, die aus Spanien nach Playa El Agua gekommen ist, auf der Suche nach oder auf der Flucht vor irgendetwas. Nachdem wir uns kennen gelernt hatten, beschloss sie, noch ein wenig auf der Insel zu bleiben. Einen Monat zunächst. Dann zwei weitere Monate. Dann ist sie zu mir gezogen. Irgendwann war ein mögliches Abreisedatum gar kein Thema mehr. Ich habe ihr von mir erzählt, was ich preisgeben wollte. Sie hat das Gleiche getan. Ich habe ihr erzählt, was ich war, was ich nicht war und was ich nie sein werde. Sie hat das Gleiche getan. Seither dauert unsere Beziehung zu wechselseitiger Zufriedenheit an, und das seit nunmehr fünf Jahren. Wie lange noch, weiß man nicht, wie bei allen menschlichen Belangen. Vielleicht sind wir keine richtige Familie, aber es kommt einer solchen so nahe, wie es uns beiden möglich ist.
    Der Moment der Zweisamkeit vergeht, aber nicht so endgültig, dass er vergessen werden würde.
    Ich schiebe Pilar fort und nötige sie, an ihren Platz zurückzukehren. Wo sie gesessen hat, zeichnet sich auf meiner Hose eine feuchte Stelle ab. Ich wische ein paar Krümel von meinem Hemd.
    »Ich muss gehen. Was hast du vor?«
    Pilar zeigt ins Innere des Hauses.
    »Howard hat mich gefragt, ob ich heute Nachmittag mit ihm surfen gehe. Wir wollten auch nach El Yaque hinunter. Sobald er wach ist.«
    Howard ist der Typ, der uns nach Hause begleitet hat. Nach den Anstrengungen dieser Nacht hege ich allerdings meine Zweifel, ob er in den nächsten Stunden aufwachen wird. Pilars Gesichtsausdruck nach zu schließen, sieht sie das genauso.
    »Sehr gut. Heute Nachmittag nach der Sitzung werde ich im Dorf bleiben. Ich muss mit dem Direktor zusammen ein paar Dinge entscheiden. Wir
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