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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf
Autoren: John Katzenbach
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der Spritleitung und zog dann am Startkabel. Der kleine Motor stotterte zweimal und sprang an, so dass er den Gang einlegen konnte.
    Ihm war bewusst, dass der Motorenlärm die Stille der Nacht empfindlich störte, doch das war nicht zu ändern.
    Er steuerte das Boot blind aus dem Gedächtnis zu der Stelle, an der nur etwa fünfzig Meter flacher Sandstrand das stille Gewässer des Teichs von der tosenden Meeresbrandung trennten. Ich hätte sie alle töten können.
    Er lächelte. Das ist ihnen klar.
    Unterwegs überprüfte er den Ladestreifen in seiner Pistole. Er hatte noch sieben Schuss in der Neunmillimeter. Sie hatte dieselbe Waffe, dachte er für einen Moment. Vermutlich kein Zufall.
    Vor sich sah er einen matthell schimmernden Streifen, der sich quer durch die endlose Nacht zog. Das Brausen der Wellen auf der Meeresseite war jetzt doppelt so laut. Er ließ das Schlauchboot auf den Strand auflaufen und spürte, wie der Sandboden an der Unterseite des dicken Gummis kratzte.
    Er stellte den Motor aus, damit die Schraube sich nicht in den Sand wühlte. Er stand auf und kletterte aus dem Boot an den Strand.
    Es ist so, wie es immer war.
    Vom unablässigen Krachen der Wellen am sandigen Ufer wie in Trance versetzt, stand er eine Weile reglos da. Es ist so stetig, so mächtig, dachte er. Wir sind dagegen so klein.
    Er bückte sich und packte das Schlauchboot am Bug, um es aus dem Wasser zu ziehen. Von der Anstrengung tat ihm plötzlich die Schusswunde in der Seite weh, die er Anne Hampton verdankte.
    Er nahm es gleichmütig hin.
    Mit Mühe zog er das Boot etwa drei Meter über den Sand.
    Ich hätte nie gedacht, dass sie dazu fähig ist. Absurderweise war er irgendwie stolz auf sie. Ich hab immer gewusst, dass sie eine Menge Kraft besitzt. Sie musste nur noch lernen, sie zu gebrauchen.
    Er zerrte das Boot über den Strand. Es machte ein schabendes Geräusch.
    Ihn bestürmten Bilder von all den Orten, an denen er gewesen war, und von seinen Fotos. Keiner konnte mir das Wasser reichen, dachte er.
    Weit zurückgelehnt, zog er das Schlauchboot unerbittlich auf die Brandung zu.
    Meine Bilder waren immer die besten. Ob in Farbe oder in Schwarzweiß. Machte keinen Unterschied.
    Ich hab immer den entscheidenden Moment getroffen. Sie sagten einem etwas. Sie schrien einem ins Gesicht. Sie erzählten Geschichten.
    Als er das Meer erreicht hatte, sank er im seichten Wasser auf die Knie und hielt sich die Seite, während sich ihm im Kopf alles drehte.
    Es tut weh, Marty, es tut weh.
    Er riss sich zusammen und stand auf. Weiter.
    Dann begann er zu singen: »Row, row, row your boat, gently down the stream …«
    Mit jedem Wort wuchtete er sich vorwärts und zog das Boot weiter in den schwachen Sog vom Strand weg in den Ozean. Sobald das Boot auf dem flachen Wasser schwamm, ließ er den Bug los und hielt sich nur noch an der Seite fest. Er sah einen großen Brecher langsam, aber sicher auf den Strand zurollen und eilte voran, um seine Schubkraft zu nutzen.
    Weißgrünes Wasser wirbelte ihm schäumend um die Hüfte, als er das Boot in die Wellen stieß.
    Er packte die Seite und schwang ein Bein hinüber. Mit dem anderen verschaffte er sich Halt, während er den Bug nach vorne richtete; dann stieß er sich vom weichen Sand ab und sprang bei der nächsten Woge hinein.
    Bei seinem Ritt den Wellenkamm hinauf erhaschte er einen Blick auf den Mond, der so tief über dem Wasser hing, dass er zum Greifen nah schien. Im nächsten Moment tauchte er ins Wellental hinunter und merkte, wie das schäumende Wasser ins Schlauchboot schwappte. Er wirbelte herum und warf den Motor an, indem er am Startkabel zog. Er sprang augenblicklich an, und Douglas Jeffers gab Gas, so dass er im richtigen Moment die nächste Welle erwischte, die sich vor ihm erhob und ihn an den Strand zurückzuwerfen drohte. Das Schlauchboot machte einen Satz nach vorn und ließ die brodelnd weiße Masse hinter sich.
    Er stellte den Handgashebel fest, und das Schlauchboot schoss unaufhaltsam voran.
    Wie von Geisterhand glitt er von einer Sekunde zur anderen jenseits der Brandung über das tiefe, schwarze Wasser und entfernte sich unaufhaltsam immer weiter vom Strand.
    No Man’s Land. Niemandsland, dachte er.
    Ich wollte schon immer mal nach No Man’s Land hinüber.
    Er ließ den dunklen Streifen der Insel hinter sich und lenkte das Boot hinaus ins offene Meer. Er taxierte das ungefähre Zielgebiet und hielt den Bug in diese Richtung.
    Er blickte wieder in den Mond und fühlte sich
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