Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf
Autoren: John Katzenbach
Vom Netzwerk:
alles gründlich schiefgegangen.
    Es tut mir leid, es tut mir so leid. Gott, ich hab’s wirklich versucht. Ich hab alles darangesetzt.
    Sie starrte erneut auf die Lichter jenseits des Wassers.
    Er wird entwischen. Noch nie bin ich so nah an ihn herangekommen wie heute. Aber auch diesmal habe ich verloren.
    Ich hab verloren.
    Sie legte den Kopf auf die Arme und lehnte sich gegen das Dollbord des Bootes.
    Es tut mir leid, sagte sie erneut. Das Boot schimmerte im weißen Licht, und sie sah, wie in der Ecke des Rumpfs die Kante von etwas Weißem leuchtete.
    Neugierig richtete sie sich auf. Mit einem leisen Hoffnungsschimmer griff sie nach dem Gegenstand und sah, dass es sich um ein Plastikkissen handelte. Es hatte beidseitig eine Schlaufe. Ihre Hände zuckten: ein Schwimmkissen!
    Sie blickte zum Haus hinüber, wo Douglas Jeffers zweifellos im Aufbruch begriffen war, um sich für immer ihrem Zugriff zu entziehen. Und das wäre es dann, stellte sie fest. Das hier ist deine letzte Chance. Sie starrte auf das Wasser, das sich bodenlos und in kleinen Wellenkräuseln vor ihr erstreckte. Sie dachte an ihre Nichte und daran, wie anmutig und furchtlos sie sich im blauen Wasser ihres Pools bewegt hatte. »O Gott«, stöhnte sie. Sie dachte an die grünen, aufgewühlten Massen, die rings um sie tobten, sie niederdrückten und die Luft aus ihrer Kinderlunge drückten. Sie dachte an den Schwur des kleinen Mädchens, den die Erwachsene bis jetzt gehalten hatte. Jeder Alptraum ihres Lebens stürzte über sie herein. Ihr ganzer Körper wehrte sich und brach in heftiges Zittern aus.
    »Ich kann nicht.«
    Sie erinnerte sich, wie ihr Vater durch das dunkle Haus an ihr Bett getappt war, um sie zu trösten, wenn sie von einem Alptraum aufgeschreckt worden war. Er hatte ihr mit seinen großen Händen die Schläfen massiert und versichert, er würde die bösen Träume schon aus ihrem Kopf vertreiben. Nach einer Weile hatte er dann mit einer Hand hoch über ihren Kopf gegriffen, als hätte er den Übeltäter fest gepackt. AufNimmerwiedersehen, schlechte Träume; weg mit euch, hatte er leise gerufen, tief Luft geholt und die beängstigenden Kindergedanken fortgeblasen. Sie erinnerte sich, wie sie ihrer Nichte genau auf die gleiche Art die Stirn gestreichelt hatte, damit sie unbeschwert schlafen konnte. Sie holte tief Luft und atmete langsam aus. Weg mit dir, Alptraum!, befahl sie.
    Sie trat näher ans Wasser.
    »Ich kann nicht«, wiederholte sie.
    Trotzdem steckte sie die Arme in die Schlaufen des Kissens und schob die Pistole in den Gürtel.
    »Ich kann nicht schwimmen.«
    Sie spürte, wie das Wasser um ihre Knöchel schwappte.
    Während der ersten zwanzig Meter berührten ihre Zehen den Grund, und sie fasste Vertrauen. Beim einundzwanzigsten Meter stießen ihre Beine plötzlich ins Leere, und Panik erfasste sie. Weiter, brüllte sie sich an, immer weiter.
    Sie paddelte sacht mit den Armen und trat gleichmäßig mit den Beinen.
    Du kannst es schaffen, versicherte sie sich.
    Eine Welle schlug ihr ins Gesicht.
    Sie verlor das Gleichgewicht und schwankte heftig. Sie zuckte, schlug wild mit den Armen um sich und versuchte die Kontrolle wiederzuerlangen. Erneut traf sie eine Welle. Sie kam ins Rutschen und hatte das Gefühl, von ihrem Kissen zu gleiten. Blanke Panik wollte sie ergreifen, und sie setzte alles daran, die Oberhand zu gewinnen, doch jede noch so kleine Bewegung machte es nur noch schlimmer, und sie tanzte haltlos auf dem schwarzen Wasser. Sie krampfte sich in das Kissen, doch es bäumte sich auf und drohte, sie abzuwerfen.
    Sie wollte schreien und brachte keinen Laut hervor.
    Eine kleine Welle schwappte über sie hinweg, und sie hatte das Gefühl, als ob ihr alles entglitte.
    Nein! Nein! Nein!, schrie es in ihr.
    In diesem Moment drehte sie sich wie eine Schildkröte auf den Rücken und sank unter Wasser.
    O mein Gott, ich sterbe!
    Es war, als zerrten die Massen sie nach unten, und sie kämpfte dagegen an.
    Wie ein heimtückischer Liebhaber schloss das Wasser sie in die Arme, presste ihr die Luft aus der Brust, drehte und wendete sie, bis sie nicht mehr wusste, wo oben und unten war.
    Wo ist Luft?
    Hilfe! Hilfe! O Gott, Bitte! Lass mich nicht ertrinken!
    Allein in der Dunkelheit schlug sie um sich und kämpfte wie eine Löwin gegen den drohenden Tod.
    Nein, ich lass es nicht dazu kommen, nicht so! Susan! Gott! Hilf mir! Susan, nein!
    Plötzlich kam ihr der seltsame Gedanke, dass es vollkommen absurd wäre, so kurz vor dem Sieg zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher