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Der Fluss

Der Fluss

Titel: Der Fluss
Autoren: Gary Paulsen
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sich wieder. Er konnte noch immer kaum glauben, dass er es tun würde. Es war, als lebte er halb im Traum. Zwei Wochen waren vergangen, seit De rek zum ersten Mal aufgetaucht war, und in dieser Zeit hatten sie den Plan ausführlich durchgesprochen. Brian hatte sich alle Mühe gegeben, seine Mutter restlos zu überzeugen, und er hatte am Telefon seinen Vater bear beitet. Und dann war Derek wiedergekommen und hatte Landkarten und Skizzen mitgebracht, um Brians Mutter an jedem Schritt der Vorbereitungen teilnehmen zu las sen.
    Derek hatte beschlossen, dass er Brian begleiten sollte, obwohl er selbst, was die praktischen Techniken des Über lebens in der Wildnis anging, nur wenig Erfahrung hatte. Aber er war Psychologe und es war die geistige Haltung des Abenteuer Überleben, die er erforschen wollte.
    Sie wählten einen See gut hundert Meilen östlich des Sees, an dem Brian damals seine Bruchlandung machte. Die Mutter schlug vor, wieder an denselben See zu fah ren, doch Derek legte sein Veto ein. Es sollte eine ganz neue Situation für Brian sein. Der ausgewählte See hatte auf der Landkarte keinen Namen, aber ein Fluss mün dete dort ein und zog sich nach dem Verlassen des Sees weiter nach Südosten, bis zum Rand der Karte.
    »Wir haben uns ganz bewusst für diesen See entschie den«, sagte Derek und kreiste ihn mit dem Filzschreiber ein, während sie mit Brian im Wohnzimmer saßen. »Es gibt dort die gleiche Landschaft wie da, wo du abgestürzt bist. Auch hat er etwa die gleiche Meereshöhe und ähn liche Wälder an den Ufern.«
    »Wie weit ist es bis zur nächsten Ansiedlung, falls ihr Hilfe braucht?«, fragte Brians Mutter.
    Derek lächelte. »Wir haben ein Funkgerät und falls Schwierigkeiten auftreten, könnte ein Flugzeug in drei bis vier Stunden zur Stelle sein. Machen Sie sich bitte keine Sorgen.«
    »Ich mache mir aber Sorgen. So ist es.«
    Tatsächlich, sie macht sich Sorgen, dachte Brian jetzt, während das Flugzeug die Piste entlangrollte. Ja, seine Mutter machte sich Sorgen. Wieder sah er sie immer kleiner werden und wieder zuckte er zusammen, als der Motor mit Vollgas aufheulte. Wieder war er verblüfft, mit welcher Leichtigkeit die Maschine abhob und sich in die Luft schwang.
    Und plötzlich kam die Angst.
    Er konnte nichts dagegen tun. Sein Atem ging schnel ler, er spähte nach vorn, nach dem Piloten, und dachte: Da ist es wieder. Nur ein Pilot, ein einziger Motor, und falls einer von beiden ausfällt, werden wir abstürzen. Falls dem Piloten etwas zustieß, falls er sterben sollte, wäre niemand mehr da, um das Flugzeug zu steuern. De rek konnte ja nicht fliegen. Und Brian müsste nach vorne springen, über die Sitzlehne klettern, das Steuer packen und versuchen, mit den Füßen die Ruderpedale zu errei chen …
    Er schüttelte den Kopf. Langsam jetzt. Nur immer langsam. Tief einatmen, gegen die Angst ankämpfen. Er innerungen an die Bruchlandung damals blitzten auf und verfolgten ihn. Vor seinem inneren Auge sah er das kleine Flugzeug gegen die Bäume krachen, im Wasser aufschlagen – und dann die blaugrüne Tiefe, der tote Pilot neben ihm auf dem Sitz …
    Brians Puls ging schneller.
    Er holte tief Luft, hielt den Atem an, versuchte die Bil der beiseitezuschieben. Ja, er hatte Träume gehabt – nach seiner Rettung und Heimkehr. Auch nach dem Flug, als er seinen Vater besuchen fuhr, hatte er von dem Unglück geträumt. Es waren nicht direkt Albträume ge wesen, sondern Träume, in denen er den Absturz und die Zeit in der Wildnis wieder erlebte.
    Die Zeit.
    Jetzt aber war es anders, ganz anders. Er schaute den Piloten an und sah, dass er viel jünger war als Jake damals, der im Cockpit einen Herzinfarkt bekommen hatte. So jung war er, dass er einen Recorder mit Klebeband am Instrumentenbrett befestigt hatte, einen Walkman, und über Kopfhörer fetzige Rockmusik hörte. Sein Kopf wippte im Takt auf und ab. Er flog in lässiger Haltung, bequem im Pilotensitz hängend, nur zwei Finger am Steuerknüppel, und etwas in seiner Art, wie er da saß und sich im Takt der Musik bewegte, beruhigte Brian.
    So lehnte er sich in den Sitz zurück und sah aus dem Fenster. Rechts unter sich sah er einen der Schwimmer, mit Rädern an der Seite. Das Flugzeug konnte auf dem Wasser landen und starten, aber auch von festem Boden.
    Die Schwimmer schienen das Flugtempo der Ma schine nicht sehr zu hemmen, breit wie sie waren. Nur schien es, als tanzten sie gerade noch über die Baumwip fel hinweg – bis der Pilot genügend
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