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Der Fluss

Der Fluss

Titel: Der Fluss
Autoren: Gary Paulsen
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es geschafft.
    Oben auf der Uferböschung sah er den kleinen, braunweiß gefleckten Hund, der ihn verbellte, den Schwanz hoch gereckt und die Nackenhaare gesträubt. Während Brian noch andächtig schaute, tauchte das runde Gesicht eines kleinen Jungen neben dem Hünd chen auf.
    »Hilfe! Hilfe!«, rief Brian oder glaubte er, seine Stimme rufen zu hören.
    Das Gesicht des Jungen verschwand und im nächsten Moment kamen zwei Menschen, ein Mann und eine Frau, die Böschung heruntergelaufen. Sie eilten auf den Landesteg und schauten auf Brian hinunter – und Brian schaute weinend zu ihnen hinauf, seine zerfetzten Hände schlaff im Wasser, im Fluss.
    Ja, der Fluss.
    »Derek …«
    Hände reckten sich ihm entgegen, Hände zogen ihn auf den Landesteg, und der Mann sprang ins Wasser und band Derek los und trug ihn auf seinen Armen an Land. Hände, starke Hände, die ihn hielten. Es war vorbei.

Zur Erinnerung
Zur Erinnerung
 
    Brian und Derek legten mit dem Floß einhundertneun zehn Meilen auf einem Fluss zurück, mit einer durch schnittlichen Strömungsgeschwindigkeit von zwei Mei len pro Stunde, und brauchten für diese Strecke knapp dreiundsechzig Stunden.
    Als Brian aufbrach, wog das Floß annähernd hundert Kilo, aber da es sich unterwegs voll Wasser saugte, ver doppelte es sein Gewicht, bis sie den Handelsposten er reichten: tatsächlich kaum mehr als eine Hütte am Fluss, wo Trapper ihre Felle abliefern konnten.
    Hütte und Handelsposten gehörten einem Mann und seiner Frau, die mit ihrem kleinen Sohn dort lebten. Aber sie hatten ein funktionierendes Funkgerät und konnten Hilfe rufen.
    Dereks Koma war nicht so tief und vermutlich wäre er nach ein paar Tagen erwacht, auch wenn Brian sich nicht zu der Floßfahrt entschlossen hätte. Obwohl der Wasser verlust eine ernste Gefahr darstellte.
    Binnen einer Woche kam Derek allmählich wieder zu Bewusstsein und war nach Ablauf eines Jahres wieder völlig hergestellt.
    Auf dieser Fahrt verlor Brian sechs Kilo Körpergewicht, hauptsächlich bedingt durch den Mangel an Flüssigkeit, auch wenn er dauernd Flusswasser trank, um dies auszugleichen. Und seine Hände wurden durch Bakterien im Wasser infiziert. Brian wurde bald wieder gesund, seine Hände wurden erstaunlich kräftig und hart, und er behielt von diesem Abenteuer auf dem Fluss keine Nachwirkungen zurück, wahrscheinlich weil er durch die Zeit – damals nach dem Flugzeugabsturz – so gut vorbereitet war.
    Seine Eltern schworen sich, ihn nie wieder allein in die Wildnis ziehen zu lassen, gaben aber irgendwann nach, als Brian ihnen klarmachte, dass er – wenn überhaupt jemand – wohl die Fähigkeit hatte, in der Wildnis zu überleben.
     
    Sieben Monate nach diesem Erlebnis saß Brian zu Hause im Wohnzimmer und überlegte, was er zu Mittag kochen sollte, als die Türglocke schellte. Er lief an die Tür und sah einen großen Lastwagen auf der Straße vor dem Haus parken.
    »Brian Robeson?«, sagte der Fahrer.
    Brian nickte.
    »Eine Frachtsendung für dich.«
    Der Fahrer ging zurück zum Lastwagen, machte die Heckklappe auf und zog ein drei Meter langes Kunst stoff-Kanu hervor, die Paddel mit Klebeband an den Dollen befestigt. Es war ein wunderschönes Kanu, leicht und elegant, mit sanft geschwungenem Kiel, der ein herrlich leichtes Paddeln verhieß.
    In Goldbuchstaben stand auf beiden Seiten des Bugs geschrieben: »Das Floß.«
    »Der Absender ist ein Mann namens Derek Holtzer«, sagte der Fahrer und setzte das Kanu auf dem Rasen ab. »Da ist auch ein Brief, innen an die Bordwand geklebt.«
    Damit stieg er in seinen Lastwagen und fuhr weg – und Brian riss den Brief auf.
    »Das nächste Mal«, las er, »wird es sich leichter pad deln.«

© CARLSEN Verlag
    Gary Paulsen wurde 1939 geboren und verbrachte seine frühe Kindheit im nördlichen Minnesota, eine Gegend, die in seinen Erzählungen immer wieder eine besondere Rolle spielt. Ursprünglich war Paulsen Elektrotechniker beim Militär, bis er eines Nachts beschloss Schriftsteller zu werden – ohne jemals etwas geschrieben zu haben. Inzwischen hat sich Gary Paulsen nicht nur in den USA einen festen Leserkreis erobert. Seine Bücher wurden in 18 Sprachen übersetzt und haben bereits zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Gary Paulsen lebt heute in New Mexico.
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