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Der Fluss

Der Fluss

Titel: Der Fluss
Autoren: Gary Paulsen
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…«
    Er konnte nur flüstern.
    Es war kein Wasserfall, sondern eine tosende Rutsch bahn aus weißen Wildwasserwirbeln. Der Fluss zwängte sich hier zwischen zwei mächtigen Felsklippen hindurch, die aus den Flanken der beiden auf der Karte eingezeich neten Hügel hervorsprangen.
    Die Klippen zwangen den Fluss in ein noch engeres Bett. Hoch aufschäumend schoss das Wasser über einige mächtige Blöcke, die von den Klippen abgebrochen und herabgestürzt waren. All dies bildete eine gewaltige Rutschbahn, über die sich das Wasser brausend und schäumend ergoss. Nebelschwaden hingen in der Luft, und gischtgekrönte Wellen brandeten gegen die Felsen.
    Das Floß zielte direkt auf die Mitte der Rutschbahn. Und dann ging alles so schnell, dass Brian kaum noch reagieren konnte.
    Das Floß schien lebendig geworden, dehnte und reckte sich wie ein bockendes Tier. Das vordere Ende wurde von der Strömung erfasst, mitgerissen und unter Wasser gedrückt. Es tauchte tief ein in die brodeln den Wellen, tauchte auf und schoss mit den Wirbeln da hin.
    Brian fand noch die Geistesgegenwart, einen Blick nach Derek zu werfen. Ja, er lag sicher angebunden und reglos auf dem Floß. Und im nächsten Moment waren sie mittendrin.
    Das Floß bäumte sich auf, klatschte aufs Wasser, krachte seitwärts gegen die Felsen. Brian versuchte gegenzusteuern, versuchte das Heck mit dem Paddel herumzuschwingen, um den aufragenden Felsblöcken auszuweichen – vergeblich.
    Das Floß war ein Spielball der entfesselten Wasser massen. Im Brausen des Wassers und im Sog der schäu menden Wirbel hatte er keine Kontrolle mehr über das Floß. Sie flogen dahin, die Balken hoben sich über die Wasserwalzen und krachten dumpf auf die Steine.
    Mitten aus den Stromschnellen ragte ein Felsbrocken auf – riesig und grau und nass von der Gischt und den Wellen – , und das Floß rollte direkt auf ihn zu.
    Brian schrie auf vor Angst – ein schwacher Laut, der sich im Tosen der Strudel verlor – und warf sich schüt zend über Derek. Das Floß schlingerte leicht zur Seite und krachte gegen den Felsen.
    Dereks Körper flog hoch, klatschte wie ein nasser Sack auf die Balken, und das Floß zitterte unter dem Anprall, ächzte und knarrte – aber es hielt. Brian reckte sich auf und hatte nur einen klaren Gedanken: Geschafft!
    Und dann passierte es. Neben dem Felsblock in der Flussmitte lag unter Wasser ein anderer Brocken verbor gen. Unter den Wassermassen, die sich über seine Kante wälzten, bildete er eine Mauer bis zur linken Uferklippe.
    Der Balkenbug des Floßes schoss über die Wasserwalze hinaus, hing eine Sekunde lang in der Luft und klatschte aufspritzend ins Wasser.
    Als das vordere Ende tief untertauchte, schrammte das Heck über den Felsblock unter den Wellen.
    »Krrrach!«
    Brian hörte den Schlag, spürte die Wucht des Auf pralls und das knirschende Geräusch in allen Gliedern. Er konnte sich nur noch anklammern. Er versuchte sich neben Derek an den Baumstämmen festzuhalten – aber vergeblich.
    Das Heck wurde durch die Kraft der Wassermassen emporgeschleudert – und Brian flog durch die Luft, ein paar Meter über dem Floß.
    Dort hing er ein paar Sekunden – ein Flug wie in Zeit lupe – und sah Derek und das stampfende Floß von oben. Dann plumpste er wie ein Stein in die kochenden, brodelnden Wasserwirbel.
    Es war Wahnsinn. Nichts als kreiselnde Wellen, zi schende Blasen, rollende Wasserwalzen.
    Einen Moment lang tauchte er auf, sah das Floß mit Derek an Bord auf den Wellen davonschießen, dann wurde er in die Tiefe gezogen, wieder herumgewirbelt und gegen verborgene Steine geschleudert, auf den kiesigen Grund gedrückt.
    Aber er wollte nicht aufgeben. Verzweifelt stemmte er sich gegen den Sog, versuchte, den Kopf aus dem Wasser zu recken und Luft zu schnappen und hatte nur noch einen Gedanken – das Floß schwimmend einzuholen.
    Es war umsonst. Wie eine Riesenfaust packte die Strö mung ihn wieder am Nacken, warf ihn gegen die Felsen, drückte ihn auf den Grund.
    Er klammerte sich an die Steine, konnte sich aus dem Strudel befreien, wurde wieder gepackt und mitgerissen.
    Seitwärts!
    Er musste versuchen, sich seitlich hinauszuwinden. Immer wieder durchgerüttelt und gegen die glatten Steine geworfen, schob er sich zentimeterweise – unter Wasser, unter der Wasserwalze hindurch – an den Rand des Wirbels.
    Der Sog war stärker. Brian konnte nicht auftauchen, konnte nicht Luft holen, ein bohrender Schmerz schien seine Lunge zu sprengen, wollte ihn
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