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Der Fluss

Der Fluss

Titel: Der Fluss
Autoren: Gary Paulsen
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seufzte. »Weißt du«, sagte er zu Derek, »wenn wir ein schnelles Kanu hätten, einen kräf tigen Lunch in der Tüte und eine Kühlbox voll kalter Ge tränke, dann würden wir sagen, dass hier der schönste Platz der Welt ist!«
    Das war er auch, fand er. Wirklich schön, dieser lang sam strömende Fluss mit den saftig grünen Ufern. Fich ten und Kiefern und schlanke Zedern – und darüber ein Himmel, so weit und blau, dass der Fluss zwischen sei nen Ufern wie eine enge Rinne erschien. An manchen Stellen ragten die Bäume so weit über das Wasser hinaus, dass sie sich mit den Zweigen berührten und einen Tun nel bildeten.
    Der Fluss hatte seinen Charakter leicht verändert. Es war so unbemerkt geschehen, dass Brian es zunächst nicht wahrnahm.
    Die Bäume standen noch dichter, die Büsche ragten weiter hinaus, die Uferböschung war höher.
    Wo grasbewachsene Lichtungen sich öffneten, stieg das Gelände steil an und gab Sand und Felsbrocken frei. Die Bäume waren so hoch und dicht belaubt, dass Brian die Hügel, die sich dahinter erhoben, auch nicht gesehen hätte, wenn er ganz nah daran vorbeigefahren wäre. Er sah nichts als grüne Mauern.
    Ein paar Mal hatte er Dereks Gesicht befeuchtet. Mitt lerweile war das Floß ruhig weitergeglitten, und als die zehnminütige Pause vorbei war, merkte Brian, dass sie sich wieder einer Flussbiegung näherten.
    Er zog das T-Shirt an, nass wie es war, griff nach dem Paddel und steuerte – hastig rudernd – das Floß in die Mitte der Strömung.
    Bald würde die Sonne senkrecht am Himmel stehen und ihn versengen. Aber darauf kam es nicht an. Seine Hände waren wund gescheuert vom Holz des Paddel griffs – aber auch darauf kam es nicht an.
    Nur das Floß und die Strömung und die Zeit waren wichtig.

20
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    Die Hügel, die auf der Landkarte eingezeichnet waren, kamen früher in Sicht, als Brian geglaubt hatte. Doch es waren die richtigen – er war sich ganz sicher. Sie stiegen steil vor ihm auf, dicht mit Bäumen bewachsen und mit flachen Kuppen zu beiden Seiten des Flussbetts.
    Es war gegen Mittag und die Sonne schickte erbar mungslos ihre Strahlen herab. Brian beugte sich unter das Sonnendach und kühlte Dereks Kopf mit dem feuch ten T-Shirt.
    »Wir fliegen dahin«, sagte er zu Derek. Seine Stimme war halb erstickt vor Erschöpfung. »Du wirst es nicht glauben, aber das Floß fliegt nur so dahin.«
    Kaum hatte er es ausgesprochen, wusste er, dass es stimmte. Das Floß schwamm immer schneller. Fast konnte Brian sehen, wie die Geschwindigkeit sich von Meter zu Meter steigerte.
    »Wir holen auf …«, wollte er sagen. Dann aber stockte er – die Wahrheit dämmerte ihm.
    Die enger zusammengerückten Höhenlinien der Landkarte bedeuteten, dass die Ufer zwischen den Hü geln steiler wurden. Und wo es Hügel gab und steile Ufer, dort konnte es Gefälle geben.
    Vielleicht sogar Stromschnellen.
    Brian griff nach der Aktentasche, um einen Blick auf die Karte zu werfen – aber seine ausgestreckte Hand blieb in der Luft schweben.
    Ein Geräusch! Da war ein Geräusch, das er anfangs nicht lokalisieren konnte. Es war so leise, dass er es beim Lärm der Vogelstimmen kaum wahrgenommen hatte.
    Aber da war es wieder. Ein Zischen, ein Rauschen. Was war das?
    Nein! Es konnte nicht sein.
    Es war irgendwie leise und dumpf. Beinahe nicht hör bar, aber irgendwie fühlbar.
    Kam näher.
    Ein nasses Brausen :
Wasser!
    Ein brausender Donner von stürzendem Wasser. Das Geräusch von schnellen, stürzenden Wassermassen.
    Von fallendem Wasser.
    Ein Wasserfall!
    Sie näherten sich einem Wasserfall!

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    Es blieb keine Zeit mehr, etwas zu tun. Das Flussbett hatte sich verengt, und das Wasser floss kraftvoll rau schend zwischen den Hügeln.
    Das Floß schoss genau in der Mitte des Flusses dahin. Brian wusste, dass er ans Ufer kommen musste. Aber es blieb keine Zeit mehr.
    Und das Geräusch war lauter geworden.
    Wenn er an Land zu paddeln versuchte, würde er das Floß nur quer zur Strömung stellen, ohne das Ufer zu er reichen. Wie man mit einem Floß einen Wasserfall über winden sollte, das wusste Brian nicht. Aber eines wusste er – dass er es nicht mit quergestelltem Floß versuchen wollte. Wenn es der Länge nach über die Stromschnellen glitt, konnte es nicht so leicht kentern. Quergestellt be stand die Gefahr, dass die Balken umschlugen.
    Das Geräusch war zu einem grollenden Donner ange schwollen und im nächsten Moment sauste das Floß um eine Biegung – und Brian sah es.
    »Lieber Gott
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