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Der Fluss

Der Fluss

Titel: Der Fluss
Autoren: Gary Paulsen
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du es noch mal machst.«

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    Brian starrte ihn ungläubig an. »Ist das ein Witz?«
    Derek schüttelte den Kopf. »Ganz und gar nicht. Aber ich glaube, wir sollten auf deine Mutter warten – und dann mit deinen Eltern sprechen. Wir kommen wieder.«
    Er drehte sich um, und die zwei anderen Männer, die immer noch schwiegen, folgten ihm zur Tür.
    »Einen Moment, bitte.« Brian hielt sie zurück. »Viel leicht habe ich Sie nicht richtig verstanden. Lassen Sie mich klarstellen: Sie wollen, dass ich hinausgehe und es noch einmal mache? Dort in der Wildnis leben, mit nichts als einem Beil?«
    Derek nickte. »Genau.«
    »Aber, das ist verrückt. Es war so … hart. Ich wäre bei nah gestorben dabei. Es war reines Glück, dass ich es überstanden habe.«
    Derek schüttelte den Kopf. »Nein, es war mehr als Glück im Spiel; es war etwas anderes, das dir zu Hilfe kam.«
    Vor seinem inneren Auge sah Brian noch einmal das Stachelschwein, wie es ins Dunkel seiner Höhle ein drang. Er erinnerte sich, wie er das Beil geworfen und zu fällig den Feuerstein in der Felswand getroffen hatte. Wäre das Stachelschwein nicht gekommen, und hätte er nicht das Beil geworfen, und hätte das Beil nicht die rich tige Stelle am Felsen getroffen – dann hätte es keine Fun ken gegeben, er hätte kein Feuer gehabt, und vielleicht wäre er gar nicht hier und am Leben, um mit diesem Mann zu sprechen. »Es war vor allem Glück …«
    »Nein, lass mich erklären, wie ich es meine …«
    Brian wartete.
    »Was dir – mit Glück, wie du sagst – gelungen ist, ver suchen wir unsere Schüler systematisch zu lehren. Aber in Wahrheit haben wir es noch nie selbst gemacht. Und wir kennen keinen, der es je geschafft hat. Jedenfalls nicht in der Realität.«
    Er zuckte die Schultern und beugte sich vor. »Ach ja, unsere Spielchen«, sagte er. »Weißt du, wir ziehen hinaus in den Wald, in die Wüste, und tun so, als ginge es dabei ums Überleben. Aber keiner von unseren Schülern war je in einer Situation, wo er es schaffen musste – und zwar auf Leben und Tod, unter realen Bedingungen.« Er sah Brian direkt in die Augen. »Wie du es getan hast.«
    Der Mann, der Bill Mannerly hieß, mischte sich ein. »Du sollst es uns beibringen. Nicht mit Büchern oder Lehrplänen, nicht mit Schulungsfilmen – sondern mit der Wirklichkeit. Damit wir besser in der Lage sind, an dere Menschen zu lehren.«
    Brian musste lächeln. »Sie möchten also einen ganzen Kurs hinausführen, in den Wald, und ich soll den Jungs vorführen, was ich damals gemacht habe?«
    Derek warf die Hände hoch und schüttelte den Kopf. »Nein. Nichts dergleichen. Keine künstliche Inszenie rung. Wir haben das alles noch nicht exakt geplant, aber wir dachten, einer von uns könnte mit dir hinausgehen und bei dir bleiben, genauso leben wie du, dich beobach ten – und von dir lernen. Lernen und immer wieder ler nen. Notizen machen und alles aufschreiben. Wir wollen wirklich wissen, wie du es gemacht hast, in allen Einzel heiten.«
    Brian glaubte ihm, dass er’s ernst meinte. Derek sprach leise und aufrichtig, und seine Augen hatten einen ehrlichen Blick. Dennoch schüttelte Brian den Kopf. »Es war ganz anders, als Sie glauben. Es war kein Camping-Ausflug. Ja, ich habe ein paar Pfund abgenom men – aber es war viel mehr als das. Als ich wiederkam, war ich nicht mehr derselbe Mensch.«
    Und – dachte er – ich bin noch immer nicht wieder derselbe; ich werde es nie mehr sein …
    Brian konnte nicht mehr durch einen Park laufen, ohne unter den Bäumen nach Wild zu spähen, ohne die Tiere im Dickicht zu hören. Alles hatte für Brian eine neue Bedeutung gewonnen. Manchmal wünschte er sich, er würde nicht so genau sehen, nicht alles hören, was ihn umgab – Geräusche, Farben, Bewegung. Aber er konnte all dies nicht ausblenden. Er sah und hörte und roch. Alles, was da war.
    »Genau das ist es, was wir lernen wollen. Diese Fähig keit.« Derek lächelte. »Hör mal, sag noch nicht nein. Lass uns wiederkommen und mit deiner Mutter sprechen. Lass uns den ganzen Plan durchsprechen und dann kannst du dich entscheiden. In Ordnung?«
    Brian nickte langsam. »Na gut. Wir sprechen darüber, mehr nicht. Okay? Wir sprechen darüber.«
    Die drei Männer gingen hinaus. Brian schielte nach der Uhr über dem Tisch im Korridor. Es würde noch eine Stunde dauern, bis Mutter aus ihrem Büro kam. Auch musste Brian noch seine Schulaufgaben machen, denn es war Ende Mai und die Prüfungen standen bevor. Aber egal!
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