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Der Fluss

Der Fluss

Titel: Der Fluss
Autoren: Gary Paulsen
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ihr eigentlich nur zustimmen. Immer wieder, seit seiner Rückkehr, hatte er junge Leute und manche Erwachsene sagen hören, wie gern sie so etwas mal erleben würden: allein in die Wildnis hinauszuzie hen, mit nichts in der Hand als einem Beil. Doch wenn sie so etwas sagten, waren sie nur ein paar Schritt vom nächsten Supermarkt entfernt, in einem Zimmer mit Lampenlicht und weichen Polstern auf der Couch und fließendem Wasser aus dem Hahn. Keiner von ihnen würde es sagen, wenn er draußen im Finstern saß, wenn Moskitos ihm in Ohren und Nase eindrangen, wenn die Geräusche der Nacht so laut waren, dass sie jeden Ge danken erdrückten.
    Ja, es war verrückt, noch einmal zurückzukehren.
    Und dennoch.
    Und trotzdem …
    Trotzdem war da ein gewisses Gefühl, ein Prickeln im Nacken, das ihm die Haare sträubte.
    »Ich weiß, es klingt sonderbar, wenn ich so etwas sage. Aber Brian hat eine ganz einzigartige Erfahrung ge macht«, sagte Derek. Er stellte behutsam seine Tasse auf den Unterteller. »Wenn er uns hilft, könnte er mithelfen, Menschenleben zu retten.«
    »Trotzdem ist es verrückt.« Brians Mutter schüttelte den Kopf. »Ich glaube, Sie haben gar keine Ahnung, was Sie von uns verlangen. Ist Ihnen eigentlich klar, dass wir Brian für tot halten mussten, während er verschwunden war? Alle Experten sagten uns, dass er unmöglich über lebt haben konnte. Und dann kam er zu uns zurück, wie auferstanden von den Toten. Und jetzt bitten Sie mich – seine Mutter – , ihn noch einmal dort hinauszuschic ken.«
    Derek holte tief Luft, wartete einen Moment, und at mete langsam aus. »Verstehen Sie denn nicht? Genau das ist der Grund, warum wir es tun müssen. Weil er über lebt hat, während alle ihn für tot erklärten. Weil er etwas getan hat, was kein anderer schaffen würde. Und wenn er diese Erfahrung mitteilen könnte, wenn er uns mitneh men und uns lehren könnte, dann würde er andere Men schen retten, die in eine ähnliche Lage geraten. Es geht nicht nur um die Überlebenstechniken, die er gelernt hat. Das meiste davon kennen wir. Zumindest die Über lebenstrainer. Was uns vielmehr interessiert, ist sein Denken, seine psychologische Einstellung – seine geistige Haltung, die ihn gerettet hat. Das ist’s, was wir wissen wollen.«
    »Ich muss es tun.« Lieber Gott, dachte Brian, war das meine Stimme?
    Die beiden Erwachsenen starrten Brian an. Derek überrascht, und seine Mutter mit einem erschrockenen Ausdruck in den Augen. »Was?«
    Brian lehnte sich zurück. »Ich weiß, Mutter. Aber er hat Recht. Ich habe dort … etwas gelernt. Etwas über das Leben. Ich meine – das Leben . Und wenn ich anderen helfen kann, muss ich es tun.«
    »Es gibt auch Geld«, sagte Derek. »Wir könnten einen Vertrag schließen, und die Regierung wird Brian für seine Hilfe bezahlen.«
    Die Mutter starrte Brian immer noch an. Aber Brian wusste jetzt, dass sie verstand. Es gab etwas Neues zwi schen ihnen beiden, seit er zurückgekehrt war. Ein neues Verstehen. Sie behandelte ihn fast wie einen Erwachse nen. Und sie verstand. Dennoch schwieg sie und nur ihr beherrschtes Gesicht verriet ihre Sorge. »Bist du dir si cher – ich meine, absolut sicher?«
    Brian seufzte. »Ich muss – wenn ich damit anderen helfen kann.«
    Jetzt nickte sie langsam und biss sich auf die Unter lippe. Aber sie nickte. Immerhin.
    »Ich muss mit deinem Vater telefonieren«, sagte sie. »Vielleicht sagt er nein.«
    Aber Brian wusste: Er würde es tun.

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    Es fiel ihm sonderbar leicht, in den Buschflieger einzusteigen. Brian hatte damals gedacht, er würde sich nie wieder in so ein kleines Flugzeug setzen, und als er dann seinen Vater besuchen fuhr, nach jener Zeit, war es ihm sogar schwergefallen, in ein normales Flugzeug zu klettern. Jetzt aber stieg er ein – und setzte sich ganz ent spannt auf seinen Platz in der Passagierkabine. Es war ein vertrautes Gefühl, und doch zugleich etwas ganz Neues.
    Derek stieg vorne ein und setzte sich neben den Pilo ten. Dann drehte er sich um und sah Brian an. »Hast du Angst vor dem Fliegen?«
    Brian schüttelte den Kopf. Er sah aus dem Fenster, dorthin, wo seine Mutter neben dem Auto stand. Es war ein anderer kleiner Flugplatz, diesmal, aber es war der selbe Kombiwagen – mit den Seitenpaneelen aus brau nem Sperrholz. Sie winkte ihm zu, als sie sah, dass er zu ihr herüberschaute, und er winkte und bildete mit den Lippen das Wort goodbye .
    Der Pilot ließ den Motor an und Brian erschrak. Aber gleich beruhigte er
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