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Der Blutengel

Der Blutengel

Titel: Der Blutengel
Autoren: Jason Dark
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Nie zuvor in ihrem Leben hatte Iris King so geschwitzt wie jetzt. Der Schweiß war wirklich wie Wasser, das an ihrer Haut entlangrann und nichts ausließ.
    Sie stieß leise Schreie aus, die im allgemeinen Lärm niemand hörte. Sehr langsam kippte sie nach hinten, und sie hielt die Augen zugleich weit geöffnet.
    Der Blick traf die Decke der Disco. Sie hatte sich in einen gewaltigen Himmel verwandelt, in dem es überhaupt keine Ruhe mehr gab. Er war zu einem wilden Farbspektakel geworden, er bewegte sich von einer Seite zur anderen, und Iris glaubte zu schweben, obwohl sie in Wirklichkeit noch immer fiel.
    Iris hatte Glück. Plötzlich waren die starken Hände da, die sie auffingen. Sie hörte Stimmen, sie verlor den Halt. Sie wurde weggetragen, und die Stimmen schrien, dass Platz gemacht werden sollte.
    Iris erlebte ihre Umwelt wie im Traum. Niemand stand ihr zur Seite. Niemand half ihr auf die Beine. Man schleppte sie durch die Disco, aber sie sah und merkte nichts.
    Alles war anders geworden. Sie schien der normalen Welt entwischt zu sein. Es gab nur noch Geräusche, aber keine Gesichter, und als sie die Disco verließ, spürte sie zum ersten Mal einen kühlen Luftzug, der ihr gut tat, denn die Luft in der Disco war zu einem Gemisch geworden, dass ein Mensch kaum einatmen konnte.
    Die Welt um sie herum flatterte weg. Immer hörte sie andere Stimmen und sah auch andere Gesichter. Sie tauchten wie Momentaufnahmen vor ihr auf, verschwanden wieder, und auch die Stimmen, die sie hörte, rückten in weite Ferne.
    Es war nicht mehr ihre Welt. Sie hielt die Augen offen, aber ihr Blick erfasste etwas ganz anderes.
    Einen Himmel, der dunkelrot wie Blut war. Feuer loderte dazwischen, und aus beidem löste sich eine Gestalt, die auf sie zuflog. Es war eine Erscheinung, wie es sie auf der Welt nicht gab. Nur in ihren Vorstellungen und Träumen tauchte die Gestalt immer wieder auf, und auch jetzt war sie wieder da.
    Sie war aus dem Blut aufgetaucht, sie hatte ein verzerrtes Gesicht, einen nackten Körper, und sie huschte mit einer mörderischen Geschwindigkeit heran.
    Iris schrie!
    Die Menschen, die sie umstanden, konnten sich diesen Schrei nicht erklären. Sie reagierten panisch. Sie schrien nach dem Krankenwagen und mussten dann mit ansehen, wie ein Schüttelfrost den Körper der jungen Frau erwischte.
    »Verdammt, da muss ein Arzt kommen! Sie... sie... kann sonst sterben, verflucht!«
    »Schon unterwegs!«
    »Die ist ganz blass!«
    »Die stirbt!«
    All diese Bemerkungen, die eine gewisse Hilflosigkeit verrieten, hörte Iris King. Nur war sie nicht in der Lage, etwas darauf zu antworten. Sie war dem normalen Leben entrissen worden. Sie befand sich in einem Zustand, den sie selbst nicht hätte beschreiben können.
    Aber sie zitterte noch. Vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. Hätte sie in einem Eiskeller gelegen, wäre es bestimmt nicht schlimmer gewesen. So aber lag sie weiterhin auf dem Erdboden. Ihre Empfindungen waren noch vorhanden und sogar sensibilisiert. Sie nahm den strengen Geruch der Abgase wahr, sie hörte den Lärm von Motoren, aber die Geräusche schienen so weit entrückt zu sein.
    Der Körper steckte in einer Schwäche, die man als Klammer bezeichnen konnte. Trotz des Zitterns musste sie Luft holen. Sie riss ihren Mund weit auf und hatte dann den Eindruck, die Luft zu trinken. Alles war anders geworden, und nur der Geist besaß noch eine gewisse Klarheit.
    Sie dachte an den Überfall. Die Gestalt wollte ihr nicht aus dem Kopf. Das Feuer, das Blut, und beides war wieder mal über sie gekommen.
    Ein anderes Geräusch drang an ihre Ohren. Es entstammte keiner menschlichen Stimme. Es war der typische Klang einer Sirene, und so wusste sie, dass sie bald Hilfe bekommen würde.
    Hilfe!
    Sie lächelte, als sie daran dachte. Und mit genau diesem Lächeln auf den Lippen sackte Iris King weg...
    ***
    Früher einmal hatte Dave Mitchell seinen Job geliebt. Das war zu einer Zeit gewesen, die längst im vergangenen Jahrhundert verschwunden war. Seit einigen Jahren sah es anders aus. Da ging es der Firma schlecht, und da wurde der Druck immer mehr verstärkt.
    Er musste nicht nur arbeiten, er war gezwungen, ranzuklotzen. Aufträge mussten herangeschafft werden. Die Druckmaschinen mussten ausgelastet werden. War das nicht der Fall, bekamen die Mitarbeiter Druck. Besonders die Außendienstler, zu denen Dave Mitchell zählte.
    Und deshalb klotzte er rein. Er warf sich immer wieder in die Wellen des Arbeitslebens und war dabei auf der
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