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Der Fluch vom Valle della Luna

Der Fluch vom Valle della Luna

Titel: Der Fluch vom Valle della Luna
Autoren: Rosa Cerrato
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und ist über das Geländer gestürzt. Scheißpech, aber kann passieren. Die andere: Jemand hat ihn gestoßen. Es gibt allerdings keinerlei Kampfspuren, nichts, was auf das Zutun einer zweiten Person schließen lässt. Celsi meint, wenn jemand ihn geschubst hat, muss der sehr geschickt gewesen sein und richtig viel Schwein gehabt haben. Lies ruhig, lies den Bericht.«
    Nelly überflog den Bericht der Spurensicherung. Rivelli musterte sie schweigend.
    »Weiß man, ob der Typ Feinde hatte? Hat er Drohungen bekommen?«
    Rivelli lachte.
    »Der war Anwalt, ein ziemlich bekannter obendrein, und er war schon lange im Geschäft. Sein Gebiet waren Finanzdelikte, Korruptionsfälle. Er hat wichtige Mandanten gehabt, einflussreiche Leute rausgehauen. Mach dich schlau, wenn du willst, in der Akte findest du alles, was wir bisher herausbekommen haben. In seiner Kanzlei arbeitet rund ein Dutzend Anwälte, wir befragen jeden einzelnen. Und zum Stichwort Drohungen: Das Einzige, was bisher ans Licht gekommen ist, sind ein paar nichtssagende Drohbriefe. Darin stand, Moment ...« Er zog eine Fotokopie der Briefe hervor, die Sandra ihr am Vorabend im Caffè degli Specchi gezeigt hatte.
    »Hier, schau: ›Schweine. Das werdet ihr büßen.‹ Aber die haben alle Familienmitglieder bekommen, nicht nur er. Ist schon eine Weile her. Pisus Schwester, Marilena Pizzi, meint, da stecke was hinter, aber ich glaube nicht, dass es eine Verbindung zu dem Sturz des Anwalts gibt. Wenn du mich fragst, handelt es sich um einen Unglücksfall: Man passt nicht auf, tritt ins Leere, und schon ist es vorbei. Wir hängen alle am seidenen Faden, meine Liebe. Nichtsdestoweniger machen wir mit den Ermittlungen weiter, und ich halte dich auf dem Laufenden, wenn du willst.«
     
    Die Zeit rast. Es ist bereits später Nachmittag. Als sie ein wenig Luft hat, überfliegt Nelly die Akte zu Anselmo Pisu und ruft sich noch einmal ins Gedächtnis, was Rivelli gesagt hat. Paolo hat von ihm gesprochen, als wäre er schon tot. Na ja, tiefes Koma ... Tano schlüpft lautlos herein, setzt sich vor ihren Schreibtisch. Sie blickt auf. Er sieht sie an, und das Schweigen zwischen ihnen wächst wie eine Pfütze, die sich in einen See verwandelt. Ein stumpfes, kleines Lächeln erscheint auf ihrem Gesicht, als sie sich erinnert, dass er sie gebeten hatte, so bald wie möglich in sein Büro zu kommen. Er räuspert sich.
    »Ich ... Gestern Abend war ich drauf und dran, zu dir zu kommen. Ich weiß nicht, was mich davon abgehalten hat.« Er ist aufgestanden und geht auf sie zu, doch sie weicht instinktiv zurück. Er begreift, dass er sie nicht berühren soll, und hält gerade noch inne.
    »Das kann ich dir genau sagen. Ich habe es dir verboten, das hat dich abgehalten. Wenn wir nichts voneinander hören, lässt du dich nicht blicken, ich dachte, darüber wären wir uns einig. Was würdest du denn sagen, wenn ich plötzlich ohne Vorwarnung bei dir auftauchen würde und du gerade mit deiner aktuellen Affäre im Bett wärst? Wie heißt die aus Bologna noch? Anita?«
    Wut und Angst lassen ihre Stimme zittern. Er presst die Lippen zusammen, und das Blau weicht aus seinen Augen. Nelly wendet sich ab, damit sie die Veränderung in seinem Gesicht nicht mit ansehen und sich eingestehen muss, dass sie der Grund dafür ist.
    »Dann stimmt es also, du warst gestern Abend mit jemandem zusammen?«
    Er hat wieder vor dem Schreibtisch Platz genommen, die Hände unterm Kinn gefaltet, und plötzlich sieht er aus wie ein Bulle bei einem Verhör. Großer Fehler, mein Lieber. Genau das darf nicht passieren: Mit mir keine Kreuzverhöre.
    »Ich dachte, es wäre alles klar. Wir hätten eine Abmachung. Du bist frei oder auch nicht, ganz egal. Ich bin nicht frei, und Carlo ist mir wichtig.« Oh, oh, seine Augen haben sich in bleigraue Schlitze verwandelt, doch Nelly lässt nicht locker, auch wenn sich ihr der Magen zusammenzieht. »Wenn wir ab und zu mal Lust darauf haben, sehen wir uns, aber nur mit Vorankündigung, keine Überraschungen. Hab ich was verpasst? Hat sich seit unserer Abmachung irgendwas geändert?«
    Nellys Zunge ist wie geschwollen, ihre Kehle trocken. Sie schluckt noch einmal mühsam, blickt auf und sieht ihn an. Doch Tano starrt aus dem Fenster, als gäbe es dort etwas sehr Interessantes zu sehen. Sein Stuhl knarzt, trocken lässt er seine Fingergelenke knacken. Der See aus Schweigen breitet sich weiter aus, dunkel und unergründlich. Dann holt er tief Luft und dreht sich zu ihr um. Seine Augen
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