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Der Fluch vom Valle della Luna

Der Fluch vom Valle della Luna

Titel: Der Fluch vom Valle della Luna
Autoren: Rosa Cerrato
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verstehe ich, dass diese Briefe ihn nicht sonderlich beeindruckt haben. Aber ich kann mal mit ihm reden, unter dem Vorwand, dass besagter Anwalt ein Verwandter einer sehr guten Freundin von mir ist. Es könnte genau das sein, wonach es aussieht: ein Unfall. Und mit diesen Briefen macht sich jemand Luft, der sauer auf deine Familie ist oder nicht mehr ganz sauber tickt, aber harmlos ist. Oft sind das Leute, die einem nur einen Schrecken einjagen wollen und sich freuen, wenn’s gelingt, aber mehr als schwammige Drohungen kriegen die nicht zustande. Manche hingegen machen ernst und fangen an, einen zu verfolgen, lauern einem auf, rufen an, richtiges Stalking eben, und dann kommt’s zum Knall. Nach dem Unfall hat man von ihm oder ihr nichts mehr gehört?«
    »Nicht dass ich wüsste. Marilena hätte es mir gesagt.«
    »Haben deine Verwandten irgendeinen Verdacht? Gefeuerte Angestellte, abgewiesene Verliebte, wütende Konkurrenten?«
    Sandra zuckte mit den Schultern.
    »Was soll ich sagen, Nellyschatz, keine Ahnung. Marilena bestreitet es, sie sagt, sie kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass irgendjemand was gegen sie hat, aber vielleicht hat sie zu viel Schiss, um die Katze aus dem Sack zu lassen. Nach allem, was man hört, ist Alceo ein unerträglicher Typ, so erfolgreich er als Regisseur auch sein mag. Er legt sich mit jedem an und ist regelrecht verschrien für seinen miesen Charakter, aber was hat Anselmo damit zu tun? Und die anderen? Es tut mir leid, dass ich dich mit dieser Sache nerve, vielleicht führt das auch zu nichts, aber ich hab Marilena versprochen, mich darum zu kümmern, und ich kenne auch Alice ganz gut, Anselmos Frau. Wir waren zusammen auf dem Gymnasium. Sie haben zwei Kinder, Serena und Giancarlo. Vielleicht kriegst du ja was raus, mit deiner Spürnase.«
    Lächelnd drückte sie ihren Arm und griff nach dem Kassenzettel, den der Kellner auf den Tisch gelegt hatte. Nelly grinste.
    »Ja, so ist’s brav, wenigstens den Aperitif kannst du mir spendieren, wenn du mir schon diesen Mist überhilfst.«
     
    Zu der klammen Kälte draußen hatte sich ein eisiger Nieselregen gesellt. Die Läden der Altstadt hatten bereits geschlossen oder zogen gerade die Rollläden herunter. Nur ein paar flüchtige Schatten eilten achtlos aneinander vorbei. Nelly verabschiedete sich von Sandra, zog sich die Kapuze über den Kopf und hastete nach Hause. Zum Glück war es nicht weit. Ihr fiel ein, dass sie so gut wie nichts im Kühlschrank hatte. Ungeachtet des genervten Blicks der Verkäuferin schlüpfte sie unter dem schon halb herabgelassenen Rollgitter einer Pizzabäckerei hindurch. Ein entschuldigendes Lächeln, und schon verließ sie mit je einem großen Stück Artischocken- und Salamipizza triumphierend den Laden. Entweder hatte der Aperitif nicht gereicht oder Sandras Schilderungen und Vermutungen hatten sie hungrig gemacht. Beim Gedanken an das Bier im Kühlschrank und die Pizza in der Tüte lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Zwei Riesenstücke für eine Person waren natürlich viel zu viel. Ich bin noch nicht daran gewöhnt, allein zu leben. Immer vertue ich mich in der Menge, als würde Mau mit Bärenhunger zu Hause auf mich warten. Na, umso besser. Wenn ich nicht alles schaffe, hab ich noch was für morgen.
    Ein heftiger Widerwille überfiel sie beim Gedanken an die leere Wohnung. Wenigstens gab es noch die Katzen. Was ist aus mir geworden. Vielleicht sollte ich ins Kino gehen oder ich rufe ... Sie war an der Haustür angekommen – die dank einer kaputten Laterne im Dunkeln lag – und so vertieft in ihre Grübeleien, dass sie den Mann davor nicht bemerkte und direkt in ihn hineinrannte. Zwei starke Arme umfassten sie, und in Windeseile ging ihr Hirn alle Möglichkeiten zu ihrer Verteidigung durch, vom Tritt in die Eier bis zum Finger im Auge, doch im nächsten Sekundenbruchteil erkannte sie Carlos herbes Aftershave. Die Freude schnürte ihr die Kehle zu. Sie war so dankbar, dass sie am liebsten getanzt und geschrien hätte. Stattdessen murmelte sie nur halb erstickt: »Scheiße, du bist’s. Was machst du denn hier?« und lauschte verzückt seinem tiefen Lachen.
    »Wieso bist du nicht nach oben gegangen? Es regnet.«
    Wieder lachte er, zufrieden über die gelungene Überraschung.
    »Dich zu überraschen ist eine Sache, aber dich ’nen Herzkasper kriegen zu lassen, weil ich unangemeldet in deiner Wohnung stehe, erschien mir zu riskant. Was, wenn Commissario Rosso mich ohne Vorwarnung erschießt?
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