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Der Fluch vom Valle della Luna

Der Fluch vom Valle della Luna

Titel: Der Fluch vom Valle della Luna
Autoren: Rosa Cerrato
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zitterten. Albern. Aber es ist so schön, ihn in der Küche das Frühstück machen zu hören ... Früher hatte Mau Frühstück gemacht. Dieser lästige Stich in der linken Brust. Dabei weiß man doch, dass Kinder groß werden und ihre Wege gehen, dass ihr Leben ihnen gehört und so weiter und so fort, aber die Angst, die ihr manchmal die Kehle abschnürte, seit er nach Mailand gezogen war, sagte über die Kluft zwischen Vernunft und Gefühl mehr als genug. Seufzend beschloss sie, wenigstens die letzten Momente mit Carlo zu genießen.
    »Ich ruf im Präsidium an und sage, dass ich heute später komme, dann brauchen wir uns nicht zu hetzen, okay?«
    Sie setzte sich an den Küchentisch, goss sich eine große Tasse duftenden Espresso ein, tat Milch und zwei Löffel Zucker hinein, verspürte jedoch keinen Hunger und sah mit schief gelegtem Kopf Carlo zu, der sich zwei Toasts aus dem Toaster angelte und sie dick mit Butter und Honig bestrich. Der Honig kleckerte wie immer zäh über den Glasrand, und er fuhr mit dem Finger daran entlang und leckte ihn ab. Ihre Blicke trafen sich.
    »Elender Vielfraß.«
    »So ist es, ich bin gefräßig und maßlos. Stört dich das?«
    »Kommt drauf an.«
    All das hatte sich am Morgen zugetragen und gehörte bereits der Vergangenheit an. Carlo war wieder weit weg, wie ein nächtlicher Traum, der sich im Morgengrauen verflüchtigt hat. Als Nelly gedankenversunken das Präsidium betrat, spürte sie Tanos Blick auf sich, noch ehe sie seine Stimme hörte.
    »Ciao, Nelly«, rief der Polizeivize. »Du siehst blendend aus. Was ist passiert?«
    Er musterte sie mit der instinktiven argwöhnischen Anteilnahme, die einen befällt, wenn man Liebe wittert und eifersüchtig ist. Tano war größer als sie, ungefähr so groß wie Carlo, jedoch weniger kräftig, eher schlank und durchtrainiert. Er hatte lachende blaue Augen – zumindest, wenn er guter Laune war, wenn nicht, wurden sie grau und stumpf. Oder hell und eisig. Nelly spürte, wie die Röte ihr den Hals hinauf in die Wangen stieg. Im Hintergrund lief Commissario Lojacono vorbei, ihr persönlicher Feind, und bleckte die Zähne zu einem Lächeln. Vor einiger Zeit hatte er Gerüchte über sie und Tano in Umlauf gesetzt. Gerüchte, die damals nicht der Wahrheit entsprochen hatten.
    »Ciao, Tano. Nichts ist passiert. Es muss wohl an diesem phantastischen Wetter liegen, das mich mit Feuchtigkeit versorgt und frisch hält wie eine Rose«, sagte sie und deutete auf den einförmig grauen Himmel vor dem Fenster. Er lachte. »Komm doch bitte in mein Büro, sobald du kannst.« Sie nickte und senkte den Blick, um das Leuchten der Liebesnacht mit Carlo darin vor ihm zu verbergen. Wieso eigentlich? Er ist mein Mann. Und Tano weiß das ganz genau. Wenn’s ihm nicht passt, sein Pech. Sie beschloss, sich als Erstes um Sandras Angelegenheit zu kümmern.
    Als Nelly sein Büro betrat, sah Paolo Rivelli von der Akte auf, die vor ihm lag, und lächelte sie an. Er war ein beleibter, gut gelaunter Mittfünfziger mit wachen Augen. Das einst schwarze, gewellte Haar war schütter geworden, und auf seinem blanken Schädel spiegelte sich die Neonleuchte. Er ließ sich gegen die Rückenlehne fallen und sah sie fragend an.
    »Ciao, Paolo. Störe ich?«
    »Du doch nie, Nelly. Was verschafft mir die Ehre?«
    »Ich hab gehört, du kümmerst dich um die Sache mit Rechtsanwalt Anselmo Pisu, du weißt schon, der, der ...«
    »Das Treppenhaus runtergepurzelt ist. Genau. Wieso interessiert dich das, wenn ich fragen darf?«
    »Er ist der Cousin meiner besten Freundin, der Journalistin Sandra Dodero. Ich wollte fragen, was du davon hältst und an welchem Punkt ihr seid. Einfach nur so.«
    Paolo Rivelli musterte sie spöttisch. Einfach nur so?
    »Nun ja, bis jetzt gibt es noch nichts Neues. Der Herr ist wie jeden Morgen auf dem Weg ins Büro die Treppe hinuntergegangen. Zu Fuß, um sich die Beine zu vertreten. Im dritten Stock ist er dann über die Brüstung gestürzt und das Treppenhaus runtergeflogen. Verschiedene Frakturen, Schädelbruch, er liegt im Koma. Keine Zeugen. Der Hausmeister war gerade nicht da, weil er Arzneimittel für eine alte Mieterin gekauft hat. Wenn du die Zeugenaussagen sehen willst, hier.« Er hielt ihr eine Akte hin. »Auf der Treppe war niemand, keiner hat was gesehen oder gehört. Er wurde rund eine Stunde nach dem Vorfall gefunden. Was den Hergang angeht, da gibt es zwei Hypothesen. Die eine: Er ist beim Runterlaufen gestolpert, hat das Gleichgewicht verloren
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