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Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen
Autoren: Barbara Wood
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Schlafzimmer zu gehen. Der zottelige kleine Teppich vor dem Kamin war
bequem genug. Und für eine Weile ließ Angie Ben das Rätsel eines zweitausend
Jahre alten Alphabets vergessen.
     
     
    Später, als sie sich vor dem
glimmenden Kaminfeuer anzogen, spürte Ben, wie er rasch wieder nüchtern wurde.
Der alexandrinische Kodex, der wohl fälschlich dem Evangelisten Markus
zugeschrieben wurde, wartete darauf, übersetzt zu werden. Und dann war da
natürlich noch der letzte Teil von Weatherbys Schriftrolle, der gelesen werden
mußte. Und morgen gab er Unterricht. »Bleib heute nacht hier«, drängte Angie
sanft. »Tut mir leid, Liebes, aber weder Regen noch Graupel, noch ein listiges
Frauenzimmer sollen den Handschriftenkundler von seinen anstehenden
Übersetzungen abhalten. Das ist Herodot.«
    »Das ist albern.«
    »Ach wirklich? War er Grieche
oder Römer, dieser Marcus Tullius Albern?«
    Angie schnappte sich seinen
Pullover und warf ihn in Bens Richtung. »Benjamin Messer, mach, daß du
rauskommst!« Er lachte und streckte ihr die Zunge heraus. Angies
kastanienbraunes Haar fiel ihr ins Gesicht und verlieh ihr das Aussehen eines
kleinen Mädchens, während ihre Augen ihn verführerisch anblitzten. Es machte
Spaß, mit ihr zusammenzusein. Zwar wußte sie nichts über alte Geschichte, aber
es war immer unterhaltsam mit ihr. Und dafür liebte er sie.
    »Ciao, Baby, wie sie im
Fernsehen sagen.« Er ging fort und sprang, zwei Stufen auf einmal nehmend, die
Treppe hinunter. Seine unbeschwerte Stimmung verflüchtigte sich jedoch bald in
der frostigen Luft, als er den Wilshire Boulevard hinunterfuhr. Ein Radiosender
spielte ein Lied von Cat Stevens oder Neil Young. Er konnte nicht genau sagen,
von wem.
    Ben gehörte dem Schlag
unzeitgemäßer Menschen an, die sagen konnten, ihre Lieblingssängerin sei Olivia
Elton John, und damit ungestraft davonkamen.
    Doch er achtete nicht
wirklich auf die Musik, weil das dringende Problem der Schriftrollen ihn wieder
zu plagen begann. Wann waren sie denn nun wirklich geschrieben worden? Zweites
oder drittes Jahrhundert wäre nicht annähernd so aufregend wie erstes
Jahrhundert. Und ebensowenig hätte das späte erste Jahrhundert eine so
sensationelle Wirkung wie das frühe erste Jahrhundert. Gedankenverloren parkte
Ben sein Auto in der Tiefgarage seines Apartmenthauses und lief die Treppe zu
seiner Wohnung hinauf. Was, wenn…? Was, wenn sie tatsächlich im frühen ersten
Jahrhundert geschrieben worden wären? Sie könnten sogar irgendeine Erwähnung,
einen Anhaltspunkt oder die Spur einer Zeugenaussage enthalten, durch die die
Existenz eines Mannes, den man gemeinhin Jesus Christus nannte, entweder
bewiesen oder widerlegt würde! David Ben Jona, dachte Ben, als er mit seinem
Wohnungsschlüssel hantierte, zu welcher Zeit hast du gelebt und was hast du mir
so Wichtiges zu sagen?
    Als er in seiner Wohnung war,
machte sich Ben als erstes eine Tasse starken, schwarzen Kaffee, öffnete eine
Büchse Katzenfutter für Poppäa und setzte sich dann wieder an seinen
Schreibtisch. Der Schein seiner Leselampe erzeugte einen kleinen Lichtkreis,
der sich gegen das Dunkel ringsumher abhob. Die übrige Wohnung wirkte wie eine
grenzenlose, schwarze Höhle. Nur hin und wieder wurde der Lichtkreis von der
neugierigen Poppäa durchbrochen, die über den Schreibtisch lief. Wenn sie dort
nichts Interessantes darauf fand, setzte sie ihre nächtlichen Streifzüge durch
die anderen Zimmer fort.
    Auch an diesem Abend sprang
sie, während Ben die Fotografien vor sich ausbreitete, geräuschlos nach oben,
stolzierte zwischen Büchern, Aschenbechern und leeren Gläsern umher und
schnupperte flüchtig an einem der Fotoabzüge. Dann sprang sie hinunter auf den
Fußboden.
    Ben war inzwischen wieder
völlig nüchtern und vertiefte sich in den dritten Papyrus-Abschnitt. Plötzlich
erinnerte er sich an eine Szene, die sich vor sechs Monaten ereignet hatte: Er
und Dr. Weatherby waren in dessen Strandhaus am Pazifik gesessen und
diskutierten das geplante Projekt Dr. Weatherbys.
    Der grauhaarige, robuste
Weatherby, der stets so lebendig sprach, hatte Ben schon oft seine Theorie
dargelegt, nach der irgendwo in der Nähe von Khirbet Migdal in Israel eine
unter der Erde verborgene Synagoge aus dem zweiten Jahrhundert liege. In seinem
Wohnzimmer hatte Weatherby ihm an diesem Abend vor sechs Monaten gesagt: »Wie du
weißt, führt das offizielle Verzeichnis des israelischen Ministeriums für
Altertümer über
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