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Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá
Autoren: Ulrike Talbiersky
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auf die Schliche zu kommen, kam dem Lösen eines verdammt schweren Rätsels gleich. Kunstraub war nie einfach nur Diebstahl! Viel mehr steckte dahinter! Ich malte mir aus, wie die hellsten Köpfe der kriminellen Szene sich bereits lange vor der Tat – manchmal sogar Jahre vorher – zusammensetzten und den Raub mit viel Geschick und Witz bis ins kleinste Detail planten, um dann in einer nebligen, stockfinsteren Nacht zuzuschlagen – ungesehen und ungehört. Das zumindest waren meine damaligen Vorstellungen von Kunstraub. Aus heutiger Sicht, einige Jahre später, muss ich zugeben, dass sie etwas blauäugig und auch ein wenig zu romantisch waren.
    „Aber was redet ihr denn da? Diebstahl! Ich bitte euch. Bislang ist doch alles nur reine Spekulation“, beschwichtigte mein Vater sofort. „Wir wollen doch nicht überstürzt urteilen! Noch haben wir nichts in der Hand.“
    „Bis auf den Schatten“, gab ich zu bedenken.
    „Der Raum war schlecht ausgeleuchtet“, sagte mein Vater leise. „Geh jetzt wieder ins Bett, Liebes. Wir sind alle müde. Und das Morgenlicht wird sicherlich mehr Klarheit in die ganze Angelegenheit bringen als diese Glühbirne hier.“ Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn und schob mich sanft durch die Tür. Wieder in meinem Bett sah ich, wie das Licht im Zimmer meiner Eltern erlosch, und es dauerte nicht lange, da schlief meine ganze Familie um mich herum einen seligen Schlaf. Ich dagegen war hellwach. Bei uns zu Hause ist es jetzt… sechs Uhr… „Verdammter Jetlag“, murmelte ich, dann drehte ich mich auf die Seite und versuchte, meine putzmunteren Augenlider geschlossen zu halten.

D er nächste Tag verlief genauso, wie ich es vorhergesagt hatte: Nach dem Frühstück verabschiedeten sich meine Eltern von uns, um sogleich wieder zum Museum zu fahren. Wir Kinder dagegen sollten uns einen schönen Tag im Hotel machen. Natürlich versäumten sie es nicht uns Dreien einzuschärfen, kein Wort über den Matisse oder das Museum zu verlieren. „Und am Nachmittag schauen wir uns gemeinsam Caracas an, in Ordnung?“, vertröstete uns die Mutter.
    Da ich mit nichts anderem gerechnet hatte, war ich über den Tagesplan nicht sonderlich enttäuscht. Allmählich hatte ich mich damit abgefunden, in Caracas statt in Griechenland gelandet zu sein. Ich überflog die Titel der Bücher, die ich dabei hatte, konnte mich nicht entscheiden und wählte aufs Geratewohl eines aus. Es war auch egal, mit welchem ich anfangen würde, bis zum Ende des Urlaubs würde ich alle ausgelesen haben. Bäuchlings warf ich mich aufs Bett und drückte mir ein Kissen auf die Ohren, um dem Gebrabbel des Fernsehers nicht zuhören zu müssen. Meine Brüder probierten gerade sämtliche Kanäle durch, doch es wurde fast ausschließlich Spanisch gesprochen, mit Ausnahme eines englischen Shopping-Kanals. „Das ist ja blöd!“, schimpfte Oliver, während Robert das Hotelprogramm studierte, das in Heftform auf dem Nachttisch lag. „He, die haben eine Dachterrasse mit Swimmingpool!“, stellte er erfreut fest. „Wollen wir hingehen?“ Oliver war sofort einverstanden, und auch mir gefiel die Idee, mir die warme Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Es wäre zwar nicht das Mittelmeer, aber immerhin Wasser. So cremten wir uns rasch mit einem Sonnenschutzmittel ein, schnappten unsere Badesachen und drückten im Fahrstuhl den obersten Knopf, auf dem eine rote 12 stand. Als wir ins Freie traten, bemerkten wir erst einmal den Unterschied zu den klimatisierten Räumen. Wie aus einem Backofen strömte uns die Hitze entgegen, dabei war es erst früher Vormittag. „Herrlich!“, rief ich entzückt und lief zur Brüstung. Von hier oben hatte man einen fantastischen Blick auf die hektische Großstadt, deren zentraler Kern sich im Kessel der Berge befand. Doch ihre Ausläufer erklommen bereits die Bergrücken. Fast überall ragten rote und gelbe Kräne über die Rohbauten hinweg und ließen keinen Zweifel daran, dass Caracas noch längst nicht am Ende des Wachstums angelangt war. Während es auf den Straßen wimmelte wie in einem Ameisennest, bot die Terrasse eine Oase der Ruhe. Ich breitete die Arme aus und atmete ein paar Mal tief durch.
    Robert und Oliver suchten ein paar Liegestühle und belegten sie mit unseren Handtüchern, bevor sie sich lachend in die Fluten stürzten. „He“, rief ich ihnen nach. „Könnt ihr nicht lesen? No jumping! – das gilt auch für euch!“ „Ja, Mama!“, lautete die sarkastische Antwort, bevor meine
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