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Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá
Autoren: Ulrike Talbiersky
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ich etwas enttäuscht. Nicht, dass ich so erpicht darauf gewesen wäre das Museum zu sehen, doch auf dem Hin- oder wenigstens dem Rückweg hätte man die Stadt ein wenig erkunden können.
    „Nun, Oliver hat es ein paar Mal probiert, doch du warst komplett weggetreten. Ist doch in Ordnung, dass du dich ein wenig ausgeruht hast. Das hätten wir alle tun sollen“, verteidigte die Mutter meinen Dornröschenschlaf. „ Ein wenig ist gut“, brummelte ich. „Und? Habt ihr schon etwas im Museum herausgefunden?“
    Von der ganzen Angelegenheit hatte ich nur so viel mitbekommen, dass meine Eltern nach Caracas berufen worden waren, um den schrecklichen Verdacht einer Fälschung zu bestätigen. Doch was für eine Fälschung vorzuliegen schien, oder von wem, das war mir nicht bekannt.
    „Es ist folgendermaßen“, klärte mein Vater mich auf. „Das Sofia-Imber-Contemporary-Art-Museum in Caracas hat jahrelang mit ihrem Aushängestück geworben, der „Odalisque“ von Matisse, ein wunderbares Gemälde aus der Zeit, in der Matisse seiner Faszination von der nordafrikanischen Kultur Ausdruck verlieh. Du kennst doch Henry Matisse, den berühmten Maler?“
    „Ja, sicher, schon mal von ihm gehört. Was ist das für ein Bild?“, wollte ich schnell wissen, um dem üblichen Vortrag meines Vaters über sämtliche Künstler und ihre Epochen, der auf eine derartige Frage folgte, zu entgehen. Außerdem fand ich Odalisque einen ziemlich merkwürdigen Namen für ein Bild.
    „Nun, Matisse hat mehrere Odalisquen entworfen. Besagtes Werk aber zeigt eine spärlich bekleidete Frau in roten Pluderhosen, die sich auf einer niedrigen Liege räkelt“, erzählte mein Vater mit glänzenden Augen. „Eine arabische Tänzerin. Die Farbgebung ist ganz vorzüglich und das Orientalische ist großartig herausgearbeitet worden. Selbstverständlich für einen Meister wie Matisse. – Es war ein Original, das bislang im Museum in Caracas hing, jeder Zweifel ausgeschlossen!“
    „Es war ?“, hakte ich nach. Meine Eltern warfen sich einen kurzen Blick zu und nickten langsam. „Das Bild, das jetzt im Museum hängt, weist Spuren auf, die auf eine Fälschung hindeuten könnten. Könnten sagte ich, in Ordnung? Wir haben bislang nur einen kurzen Blick darauf werfen können, weil Señora Sanchez, die Direktorin des Museums, uns erst einmal begrüßen und in alle vorliegenden Details einweihen wollte. Doch deiner Mutter ist sofort aufgefallen, dass sich hinter der Tänzerin ein leichter Schatten abzeichnet, den das Original ihrer Meinung nach nicht aufweist. Ein Angestellter des Museums meinte auch einige Unstimmigkeiten ausgemacht zu haben – daher der Verdacht auf Fälschung. Ich bin mir da ehrlich gesagt nicht ganz sicher, denn die Pinselführung ist sehr überzeugend, und könnte bei raschem Hinsehen durchaus von der Hand Matisses stammen, aber wir werden morgen einige abgleichende Untersuchungen durchführen und neue Erkenntnisse gewinnen. Was kann denn ein erster Blick schon groß aussagen?“
    Viel , dachte ich, aber ich wusste, dass mein Vater nicht gerne voreilige Schlussfolgerungen zog. Zu groß war seine Sorge, dass das sorgsam aufgebaute Kartenhaus rasch in sich einstürzen könnte, wenn die Stützpfeiler nicht standfest bzw. die Thesen nicht bewiesen waren. Von allem brauchte mein Vater einen eindeutigen Beweis. Sonst glaubte er nichts. Wahrscheinlich kam diese Charaktereigenschaft seinem Beruf auch sehr zugute. Doch ich war da ganz anders. Der Schatten, den meine Mutter aus dem Augenwinkel gesehen hatte, war für mich Beweis genug. Ich vertraute sowohl auf ihren Scharfsinn als auch auf ihre Intuition und geriet allmählich ins Grübeln.
    „Wenn also zuerst das Original im Museum hing und das jetzige Bild eine Fälschung ist, dann…“
    „Dann haben wir es mit Diebstahl zu tun“, vervollständigte meine Mutter den Satz. „Ganz genau, und zwar mit einem wahnsinnig raffinierten!“
    Zufrieden stellte ich fest, dass sie diesen Gedanken auch schon im Kopf bewegt hatte.
    Für mich hatte Kunstraub immer einen Hauch des Geheimnisvollen gehabt. Gerne verfolgte ich derlei Geschichten in der Zeitung und im Fernsehen, und freute mich mit meinen Eltern, wenn ein Fall aufgeklärt wurde. Doch während meine Eltern sich darüber begeisterten, dass die Kunstwerke unbeschädigt an ihren alten Platz zurückkamen, erfüllte mich der Gedanke, dass ein weiteres kriminelles Netzwerk zerschlagen worden war, mit einer seltsamen Genugtuung.
      Einem Kunsträuber
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