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Der Fluch der Makaá

Der Fluch der Makaá

Titel: Der Fluch der Makaá
Autoren: Ulrike Talbiersky
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direkt zugesagt“, gab ich zu bedenken. „Vielleicht…“
    In diesem Moment klopfte es an der Zimmertür. Sie wurde aufgeschoben und meine Eltern traten herein. „Wir dachten schon, dass wir euch alle hier finden“, sagte mein Vater schmunzelnd und warf mir einen unmissverständlichen Blick zu, der mir zu verstehen gab, dass er es nicht gutheißen konnte, dass ich sein Telefonat belauscht hatte – er wusste es natürlich, denn meine Wut hatte mich verraten. Diesmal würde er es mir aber nicht weiter nachtragen. „Es gibt da etwas Wichtiges, worüber wir mit euch sprechen wollen…“

H attet ihr meine Erwartungen geteilt, dass ich den Koffer wieder auspacken musste? Nun, dies war nicht der Fall. Am nächsten Morgen fand sich meine Familie wie geplant am Frankfurter Flughafen ein, doch als wir dann endlich im Flugzeug saßen und mit lautem Motorengeräusch über das Rollfeld hinwegdonnerten, hoben wir in die entgegengesetzte Richtung ab. Statt nach Südosten ging es in südwestliche Richtung und noch ein Stückchen weiter.
    Die meiste Zeit während des langen Fluges verbrachte ich abwechselnd damit, an Griechenland und an Venezuela zu denken, wodurch ich in ein totales Gefühlschaos geriet. Kurz vor dem Flug hatte ich an einem der Flughafenläden auf die Schnelle noch eine Reisebroschüre über Venezuela erstanden, die ich nun, ich muss es gestehen, mit zunehmendem Interesse durchblätterte. Dennoch: ich hatte wochenlang Zeit gehabt, mich auf Griechenland und seine Sehenswürdigkeiten vorzubereiten! Venezuela war mir völlig fremd. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was uns dort erwarten würde. Ganz sicher: die Akropolis würde ich dieses Jahr wohl nicht zu sehen bekommen, aber ich musste mir wohl oder übel eingestehen, dass mich die Landschaftsaufnahmen aus der Broschüre durchaus beeindruckten.
    „ Venezuela verändert dich “, las ich eine Überschrift, und weiter: „ Es ist ein Land, das dich nie dort lässt, wo es dich gefunden hat.“
    Ich betrachtete die Bilder dieses fremden, weiten, beinahe unerforscht anmutenden Landes, in dem es mit Sicherheit viele geheimnisvolle, wenn nicht gar magische Orte gab. Also gut: Venezuela war ein aufregendes Reiseziel! Dennoch hatte ich Sorge, ob wir denn auch tatsächlich etwas von diesen interessanten Plätzen zu sehen bekommen würden.
    „Muss ich etwa auch mit?“, hatte ich augenrollend gefragt, als uns die Eltern am Vorabend ihren Entschluss mitgeteilt hatten, die ganze Familie nach Venezuela reisen zu lassen.
    „Was hast du denn sonst vor?“, hatte mich Papa verwundert gefragt. Ich hatte nur mit den Schultern gezuckt. „Ach komm schon, Mel“, hatte mich meine Mutter aufmuntern wollen. „Die Koffer sind eh schon gepackt. Venezuela, Griechenland – Sonne gibt es hier wie da.“
    „Ja, Sonne schon, aber keine Akropolis“, war meine leise Antwort gewesen. „Also ich freu mich auf Venezuela“, hatte Robert gesagt, und meine Mama hatte ihm dankbar einen Kuss auf die Stirn gedrückt.
    „Ihr werdet sehen, es wird ein aufregender Urlaub werden. Und das Wichtigste ist doch, dass wir zusammen sind, nicht wahr?“
    „Ja“, hatte Oliver gekräht und war mit „Venezela – Venezela“-Rufen durch das Zimmer gehopst, sodass er mich mit seiner Freude beinahe angesteckt hätte. Beinahe, denn ich wusste ja ganz genau, was das für uns hieß: wir flogen nicht in den Urlaub, sondern begleiteten unsere Eltern lediglich auf einer Geschäftsreise. Während sie den ganzen Tag im Museum verbringen würden, um ein fachmännisches Gespräch nach dem anderen zu führen, säßen wir im Hotel wie in einem Käfig fest. Mit Sicherheit hätten uns die Eltern nicht gestatten, eine fremde Großstadt wie Caracas auf eigene Faust zu erkunden. Obwohl genau dies für mich die Reise etwas reizvoller gemacht hätte.
    Nun ja, in weiser Voraussicht hatte ich genügend Bücher mitgenommen, denn sollte der Ort mir letztendlich nicht gefallen, so konnte ich mich durch sie wenigstens für eine Weile in eine andere, spannendere Welt entführen lassen.
    Ich schaute aus dem Fenster. Ein paar Mal riss die Wolkendecke auf und ich konnte den Ozean sehen. Winzige weiße Punkte befleckten das riesige blaue Tuch, das sich in alle Richtungen über den ganzen Horizont spannte. Vielleicht waren es Schiffe, vielleicht aber auch nur Schaumkronen von meterhohen Wellen, die sich auf offener See brachen. Bevor ich es genau zu sagen vermochte, schob sich ein weiterer Wattebausch Wolken vor das Fenster
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