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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin
Autoren: Birgit Jaeckel
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Berge, zurückgekehrt in ihre angestammten Gebiete im Westen. Wären die Geschichten nicht gewesen, die die Händler abends am Feuer erzählten, von Tausenden Toten, Gefangenen, ruhmreichen Konsuln, gefallenen Königen, man hätte meinen können, die Kimbern und ihre Verbündeten hätte es niemals gegeben. Boiorix sei von einem Römer erschlagen worden, erzählten manche. Andere sagten, es sei ein Kimber gewesen, ein Streit unter Fürsten. Ein Dritter behauptete, ein göttlicher Streich hätte ihn gefällt, der Zorn eines Donnergotts über einen, der behauptete, Donar wäre sein Vater. Atharic und Talia schwiegen zu diesen Geschichten, Sumelis sagte kein Wort. Sie sprach sowieso nur das Nötigste, und die Händler spürten den Schatten auf ihrer Seele und mieden sie. Sumelis merkte es, wusste, es war ihr Kummer, der unkontrolliert wie unsichtbare Pfeile von ihr ausströmte und die Menschen in ihrer Nähe belastete. Von da an verschloss sie ihre Gefühle in sich, bis sie selbst für Talia lediglich ein schwarzes Loch war, in dem alles vorsichtige Tasten kein Licht zu entdecken vermochte.
    Jetzt lagen die Berge hinter ihnen. Ihre Füße berührten wieder vindelikischen Boden, frisches saftiges Gras, nicht die staubige Ebene, die noch all ihre Gedanken beherrschte.
    Talia und Sumelis standen am Rande eines kleinen Bachs, der inmitten einer mit hohen Schafgarben bewachsenen Wiese den Hang hinabplätscherte. Das Wasser des Rinnsals sang vor sich hin, kühl und durststillend, eine Wohltat für Pferde wie Menschen, doch viel zu nebensächlich, um Sumelis Linderung zu bringen.
    »Ich werde nicht mit euch in den Norden gehen.«
    Talia drehte sich um. Sie hatte nach vorne geschaut, über das Vorgebirgsland hinweg, das Gebiet der Vindeliker, in Richtung Alte-Stadt und darüber hinaus weiter nach Norden. Dort wartete die Heimat, ihre Familie, ihre beiden kleinen Kinder, die sie viel zu lange nicht gesehen hatte. Sumelis hingegen hatte nach Süden geblickt, wo schroffe Berggipfel den Blick auf alles Dahinterliegende versperrten und ihre Augen die Felsen dennoch durchdrangen, als ob sie nicht in diese Welt gehörten. Oder Sumelis nicht. Nicht in diese Welt gehören wollte.
    »Es tut mir leid, Mutter. Aber es geht nicht. Ich kann nicht einfach zurückkehren und so tun, als wäre nichts geschehen.«
    Talia war nicht überrascht, obwohl die Bestimmtheit in Sumelis’ Stimme ihr Kummer bereitete, da sie jeden Widerspruch verbot. »Du wirst bei deinem Großvater bleiben?«
    »Ich weiß nicht. Eher nicht, vermute ich. Bestimmt findet Caran etwas für mich, wenn ich ihn darum bitte. Einen Platz, einen Ort, wo niemand ist, der …«
    »… dich durch sein Mitleid erinnert.« Talia nickte. »Ich verstehe.«
    Sumelis sah sie erstaunt an. »Du verstehst es?«
    »Ich denke, ja. Und Atharic wird es auch verstehen. Es wird nur schwierig werden, es deinen Geschwistern zu erklären. Sie werden dich vermissen.«
    »Es tut mir leid, wenn es euch weh tut. Wenn ich könnte, würde ich mit euch kommen.«
    »Ich weiß.« Talia bückte sich und benetzte ihre Handgelenke mit Wasser. Die Kühle drang in ihre Adern, floss durch die Finger hindurch und mit dem Bach weiter über die Wiese, hin zu Atharic, der ein Stück hangabwärts die Pferde tränkte. Sumelis sprach über ihre gebeugte Gestalt hinweg weiter, gedankenverloren, als ob ihr Gesprächspartner nicht Talia wäre, sondern die Berge und die heiße Ebene auf der anderen Seite des Gebirges.
    »Er hat mich geliebt. Zumindest diese eine Nacht. Ein paar Tage. Weißt du, manchmal frage ich mich, ob es besser gewesen wäre, wenn er es nicht getan hätte.« Sumelis lachte bitter über sich selbst. »Was für ein Unfug! Natürlich wäre es besser gewesen! Er wäre noch am Leben.«
    »Einige Monate, eine Nacht, was auch immer. So kurz es auch ist, ist es doch besser als ein ganzes Leben ohne.« Talia zupfte ein paar Gräser aus und ließ sie vom Bach davontragen. »Das hat man mir gesagt, als du noch ein Baby warst und Atharic fortgegangen war. Ich habe oft geglaubt, es sei eine Lüge, leere Worte. Aber sie hatten recht.«
    »Aber Atharic war nicht tot. Du hattest Hoffnung. Ich habe … nichts.«
    Talia ergriff ihre Hand. »Du hast viel, Sumelis, es dauert nur seine Zeit, bis du das erkennen wirst! Götter, du hast keine Ahnung, wie sehr ich wünschte, ich könnte dir diesen Schmerz abnehmen. Du hast das alles nicht verdient!« Sie schüttelte heftig, fast wütend den Kopf. »Es hätte
mich
treffen
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