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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin
Autoren: Birgit Jaeckel
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wird das?«, fragte er, und nichts in seiner Stimme verriet den Wein, der durch seine Adern rauschte. Mit einer abgehackten Handbewegung deutete er auf die Trage, welche die zwei Männer trugen, und auf das von einem feinen Tuch verhüllte Gefäß auf ihr. Einer der Träger hatte eine Fackel angezündet; in ihrem Schein leuchtete reichverziertes, kühl schimmerndes Silber unter bestickter Seide.
    »Es ist der Kessel, den die Skordisker Euch geschenkt haben.« Es war das Mädchen, das ihm antwortete. Mit anmutigen Schritten, bei denen die Füße kaum den Boden zu berühren schienen, schob es sich an den Kriegern vorbei und baute sich vor Boiorix auf. Es reichte ihm nicht einmal bis zur Brust, und obwohl der schmale Körper unter dem leichten, fließenden Gewand noch kaum Brüste und Taille zeigte, war sein Tonfall genauso herrisch wie der des Königs. Das Mädchen sprach den keltischen Dialekt der Tiguriner, die Sprache seines eigenen Volkes, und die Arroganz, mit der es annahm, dass der Anführer des Nordvolks ihm in derselben Sprache antworten würde, ärgerte Boiorix.
    Das perlende Lachen des Mädchens verriet ihm, dass er seinen Gedanken laut ausgesprochen hatte. »Ich sehe, der Wein löst Eure Zunge, König der Kimbern. Oder ist es der Siegesrausch? Freut Euch nicht zu früh, denn dies war nur
eine
gewonnene Schlacht. Sollten Eure Freunde, die Teutonen und Ambronen, nicht ebenfalls über die Römer siegen, werdet Ihr den heutigen Tag womöglich noch verdammen, Boiorix. Dann, wenn Ihr Euch plötzlich alleine findet in einem feindlichen Land, umgeben von römischen Legionen, die gierig darauf sind, ihre frühere Schmach wettzumachen.«
    »Unsere Brüder werden gewinnen!«, stellte Boiorix gereizt klar. »Wahrscheinlich haben sie die Berge bereits überquert und die römischen Armeen, die sie aufhalten sollen, überwältigt. Wir werden uns schon bald wieder vereinigen!«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann werden wir hier in Italien viel Platz haben.«
    Das Mädchen legte den Kopf schief. Die Bewegung löste den Knoten, der sein Haar gehalten hatte. In einer Kaskade aus Feuer flossen die roten Strähnen den Rücken hinab bis zu den schmalen Knöcheln. Die Männer, die hinter dem Mädchen standen und es beobachtet hatten, schnappten hörbar nach Luft. Einer von ihnen murmelte den Namen der Tigurinerin, eine für Boiorix unaussprechliche Folge halbgesungener Laute, doch womöglich war es auch ein Titel. Er wusste es nicht genau. Die einzigen Wörter, die er erkannte und verstand, waren
Feuer
und
Schwan.
Niemand hatte sich bisher die Mühe gemacht, ihm das Mädchen vorzustellen, oder seine Anwesenheit erklärt. Nicht dass dieses Kind den König interessiert hätte; er verstand nur nicht, weshalb es seinen Onkel, einen der höchsten Druiden der Tiguriner, begleiten musste. Die Druiden waren hier, von ihrem eigenen Stamm entsandt, um Boiorix zu Nutzen zu sein, nicht um ihren Gören die Welt zu zeigen! Einmal, als das Mädchen erneut an einer Besprechung mit den Druiden teilgenommen hatte, hatte Boiorix seinen Unmut über die Anwesenheit eines Kindes geäußert, doch die Tiguriner hatten ihn einfach ignoriert. Das Mädchen hatte gelächelt und geschwiegen, aber er hatte den überlegenen Spott in seinen keltischen Zügen erkannt. Am selben Abend hatte eine Priesterin von Boiorix’ eigenem Volk das Geheimnis gelüftet und ihm zugeraunt, warum das Mädchen niemals von der Seite seines Onkels wich: um mit ihm, in der Nacht, in der es zur Frau wurde, ein Kind zu zeugen.
    »Diese Inzucht beleidigt unsere Götter!«, hatte Rascil gezischt. »Wodan wird das nicht zulassen. Er wird Unglück über uns bringen, wenn wir dieser Lästerung tatenlos zusehen! Schickt die Druiden und das Mädchen fort!«
    »Wenn wir die Berge hinter uns gelassen haben«, hatte er geantwortet. »Wenn Rom vor uns liegt und es einzig die schwachen Götter der Römer sind, die wir herausfordern, dann werde ich sie fortschicken.«
    Vielleicht war dieser Zeitpunkt nun gekommen. Catulus floh mit seinen Legionen zum Padus und hatte den nördlichen Rand der Ebene bis zu den Bergen den Kimbern überlassen.
    Die Zeit – waren es siebzehn Jahre? Achtzehn? Er wusste es nicht mehr –, in der das Nordvolk auf der Suche nach Land und Beute in der keltischen Welt umhergezogen und auf die Unterstützung keltischer Stämme angewiesen gewesen war, war endgültig vorbei.
    Während Boiorix den Gedanken noch abwägte, richtete er sich zu seiner vollen, beeindruckenden Höhe auf.
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