Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin
Autoren: Birgit Jaeckel
Vom Netzwerk:
dunkelblonden Haaren. Alt. Nun ja, immerhin nicht so alt wie Gaius Marius, und eigentlich war der Konsul ja auch nicht alt, überlegte Marcus. Also nicht alt. Erfahren. Ein Leben, in ein Gesicht geschrieben wie Buchstaben, in die Falten um Augen und Mundwinkel und in jede sparsame Bewegung. Das Gesicht eines Anführers, die Sorge um …
    … jene wie mich.
    Seltsamerweise regte ihn das nicht auf, obwohl Marcus sonst immer darauf bestand, auf sich selbst aufpassen zu können. Diesmal hatte er es eben nicht gekonnt. Er wäre gestorben – wenn nicht ein nordischer Barbar auf ihn achtgegeben hätte.
    Marcus überlegte, ob es dasselbe wie Achtgeben war, wenn man jemanden nicht tötete, sondern ihn niederschlug. Er kam zu dem Schluss, dass dem wohl so war.
    »Noch in tausend Jahren wird von diesem Tag gesprochen werden«, ließ sich Flaccus unvermittelt vernehmen. »Und wir waren dabei.«
    »Wir waren nicht dabei. Wir waren bewusstlos. Die meiste Zeit über zumindest.«
    Flaccus ließ sich nicht beirren. »Wir waren dabei. Wir haben es gesehen.«
    »Sie werden es aufschreiben, nicht wahr?«
    »Natürlich.«
    »Glaubst du, sie werden es richtig aufschreiben?«
    »Sie werden es festhalten, wie es ihnen am besten passt.«
    »Wenn ich ihnen von dem Mann erzähle – du weißt schon, dem einen, von dem ich dir erzählt habe. Meinst du, sie werden es niederschreiben?«
    »Nein.«
    »Wieso nicht?«, wollte Marcus verletzt wissen.
    »Weil er noch unwichtiger ist als du. Ein Barbar unter vielen. Gut, er hat uns am Leben gelassen, aber glaubst du tatsächlich, das interessiert irgendwen? Für wen sollte diese Geschichte wichtig sein?«
    »Für mich ist sie wichtig!«
    Flaccus lächelte müde und streckte sich, bis er nach hinten sank und auf der getränkten Erde zu liegen kam. Irgendwo in der Nacht brüllte ein Kimber in Wut und Todesangst und wurde rasch zum Schweigen gebracht.
    »Dann musst du wohl selbst das Schreiben lernen, Marcus Valerius. Sonst wird die Geschichte vergessen werden.«
    Fast zwei Monate waren vergangen, seit Talia, Atharic und Sumelis das Schlachtfeld von Vercellae hinter sich gelassen hatten, inmitten fliehender Kimbern, die der Hoffnung erlagen, ihre Flucht hätte ein sicheres Ziel. Da sie am östlichen Rand des Kampfgeschehens gewesen waren, waren sie nicht wie der Hauptteil des Heers zwischen Catulus’ und Marius’ Legionen in die Zange genommen worden. Für sie war der Fluchtweg frei, und so hatten Talia und Atharic Sumelis hinter sich hergezerrt, ihr aufgeholfen, egal wie oft sie stolperte. Jede Mulde ein weiteres Loch, das sie festhalten wollte, Fallen in der trockenen Erde, auf der Nando gestorben war. Irgendwann waren Reiter an ihnen vorbeigaloppiert, ebenfalls auf der Flucht. Atharic hatte sich einem in den Weg geworfen, mit hocherhobenen Armen und Schild. Schaum war von den Nüstern geflogen, als das Pferd schrill wiehernd zum Stehen kam. Atharic hatte den Reiter heruntergezerrt und stattdessen Sumelis auf den Rücken des Tieres gehoben. Niemand, nicht ein einziger der anderen Reiter, die an ihnen vorbeiflogen, hatte sich darum gekümmert, und selbst wenn, hätte er nur eine nordische Priesterin gesehen, die sich auf einem Pferd festklammerte und eine weitere Frau hinter sich in die Höhe zog. Danach hatten sie sich nach Osten gewandt, nicht nach Norden wie die Kimbern und die sie verfolgenden Römer, die sich um das einzelne Pferd und die drei Menschen nicht scherten. Sie hatten einen Fluss durchschwommen und sich von dort in Richtung Mediolanum gewandt. Sie hatten die Stadt am nächsten Tag erreicht, wo sie nicht überrascht waren, den Krüppel nicht mehr vorzufinden. Sie hatten frische Pferde gegen Talias Gold getauscht, waren weiter nach Comum geeilt und hatten dort auf eine Gelegenheit gewartet, sich Händlern anzuschließen. Sie hatten nicht lange warten müssen. Es war, als hätten Güter wie Menschen nur darauf gewartet, dass Rom seine Herrschaft wieder herstellte, um Handel und Leben von neuem aufzunehmen. Abermals hatten sie Bergpässe überquert, sich trotz der tiefen Erschöpfung in ihren Knochen keine Pause gönnend, Täler durchritten, deren Bewohner die Reisenden nur nach einem einzigen Thema befragten: die vollständige Auslöschung der Kimbern und die sich aufs Neue entfaltende Macht Roms. Von den Tigurinern, die die Pässe im Rücken der Kimbern hatten frei halten sollen, war nichts mehr zu sehen. Sie waren so gründlich verschwunden wie der Schnee an den Südhängen der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher