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Der Fluch der Abendröte. Roman

Der Fluch der Abendröte. Roman

Titel: Der Fluch der Abendröte. Roman
Autoren: Leah Cohn
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die Hölle heiß machen, aber ich fürchte, vorerst müssen wir uns einer anderen Sache widmen. Ich habe etwas sehr Beunruhigendes erfahren. Dass dieser Lukas Arndt nämlich nicht alleine gehandelt hat.«
    »Was meinst du?«, fragte Claudius verwirrt. »Wir wissen doch, dass er sich mit Saraqujal verbündet hat!«
    »Aber der war offenbar nicht der Einzige«, erwiderte César. »Laut meinen Informanten gibt es einen geheimen Zirkel, der in den letzten Jahren stetig gewachsen ist. Seine Mitglieder sind allesamt Menschen, die einen ihrer Angehörigen durch den Kampf der Nephilim verloren haben – und so lange Nachforschungen angestellt haben, bis sie die Wahrheit über uns ans Licht bringen konnten. Sie streben nichts Geringeres an, als uns alle auszulöschen – egal, ob Awwim oder Grigori.«
    »Pah!«, Claudius lachte unbeherrscht los. »Was will denn das Menschenpack gegen uns ausrichten?«
    Caspar verzog die Lippen – die gleichen Worte hätte er auch gewählt. Er wollte seinem Vater so wenig wie möglich ähneln – und wusste doch, dass er manche Gemeinsamkeiten nicht abschütteln konnte. Die Menschenbrut langweilte oder widerte ihn ebenso an wie Claudius – ausgenommen waren jedoch die Auserwählten. Er hatte Serafina einst auf Händen getragen … und hätte Gleiches mit Sophie gemacht, wenn sie sich nicht für Nathan entschieden hätte. Doch Claudius hatte seine Frau genauso brutal behandelt wie später die beiden Kinder, Caspar und Cara, die sie ihm geboren hatte.
    »Wir dürfen diesen Zirkel nicht unterschätzen«, warf César ein. »Auch wenn er sich nicht als ernsthafte Bedrohung herausstellt – er könnte uns lästig werden. Wir sollten seine Mitglieder so schnell wie möglich … ausschalten.«
    Claudius ballte die Hände. »Ja, das müssen wir«, stimmte er ihm zu. »Und das werden wir. Wir werden das Menschenpack, das sich auflehnt, töten. Und Cara auch.«
    Caspar starrte durch die hohen Glasfenster. Der Blick auf Wald und See war ihm fremd und vertraut zugleich. Er labte sich daran – und zugleich nahm er Abschied davon.
    »Vor allem müssen wir Aurora in unsere Hände kriegen«, murmelte er. »Wir müssen sie auf unsere Seite ziehen, zu einer der Schlangensöhne machen. Im Kampf gegen die verfluchten Wächter könnte sie unentbehrlich sein. Das ist das Wichtigste.«
    Sein Vater grummelte etwas, das wie ein Bestätigung klang. In Césars Augen glaubte Caspar jenes faszinierte Leuchten wahrzunehmen, das ansonsten nur außergewöhnlichen Menschenfrauen galt. César mochte Herausforderungen – und als solche begriff er wohl auch den Kampf um Aurora.
    »Worauf warten wir noch?«, rief er. »Wir sollten auf der Stelle aufbrechen.«
    Claudius nickte, Caspar auch. Ihr Ziel war das gleiche – ihr Ansporn jedoch ein anderer. Ja, César liebte Herausforderungen, und sein Vater wiederum brannte darauf, nicht nur die aufrührerische Tochter, sondern alle Wächter in ihrem Umfeld auszurotten. Er hätte sich aus weit geringerem Anlass in den Krieg gestürzt – so süchtig wie er nach allem war, was nach Gewalt, nach Blut, nach Kampf roch.
    Caspar hingegen sehnte sich nicht nach dem Klang der aufeinandertreffenden Schwerter. Er sehnte sich nach … Aurora.
    Er unterdrückte ein Seufzen, als er sie vor seinem inneren Auge heraufbeschwor – wie sie da im roten Morgenlicht gestanden hatte, auf ihren Zehenspitzen, klein und mächtig, zart und gewaltig zugleich, ihre Haare wie ein seidiges Tuch, das über ihren Rücken fiel, ihr Blick so beschwörend, dass er alles auslöschte, was nach Zögern, Halbheit, Versagen, Unzulänglichkeit roch.
    Caspar ballte seine Hände zu Fäusten. Er würde gemeinsame Sache mit seinem Vater und seinem Halbbruder machen. Doch er würde nicht zulassen, dass sie Aurora für ihre eigenen Zwecke missbrauchten und zerstörten. Für die beiden war sie nichts weiter als eine brauchbare Waffe – für ihn war sie so viel mehr. Für ihn war sie der Grund, dass er nach den letzten fünf lethargischen Jahren wieder leben wollte – und wenn sie erst einmal auf seiner Seite stand, würde er sie nicht benutzen, sondern anbeten, würde er sie nicht zwingen, sich ihm zu unterwerfen, sondern sich ihr selbst ganz und gar hingeben.

Über Leah Cohn
    Leah Cohn wurde 1975 in Linz, Österreich, geboren. Sie hat Geschichte, Philosophie, Theologie und Religionspädagogik studiert.
     Seit mehreren Jahren arbeitet sie als Fernsehjournalistin und lebt in Frankfurt am Main.

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