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Der Finger Gottes

Der Finger Gottes

Titel: Der Finger Gottes
Autoren: Andreas Franz
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verloren – nämlich seinen unerschütterlichen Glauben an Gott, an den, der ihn erschuf. Er ließ sich selbst durch das ärgste Unglück nicht von seinem Glauben abbringen, und sosehr er auch geprüft und versucht wurde, er hielt zu Gott. Er hat Gott nicht verflucht, aber er hat Gott gefragt. Und hat Gott ihn allein gelassen?
    Nein, alles, was Gott tat, war, Hiob zu prüfen, seine Standhaftigkeit, seine Treue zu ihm. Er hat Hiob nicht geprüft, weil Hiob etwa ein schlechter Mensch gewesen wäre, im Gegenteil, Hiob ist untadelig vor Gott gewandelt. Gott hat Hiob damit auf besondere Aufgaben vorbereitet. Und wie viele von uns wissen, hat Hiob, nachdem er wie ein Wurm durch die tiefsten Tiefen seines Daseins gekrochen ist, ein schöneres und besseres und erfüllteres Leben geführt als zuvor.« Engler ließ seinen Blick über die Anwesenden gleiten, um die Reaktion auf seine Worte zu prüfen. Viele Gesichter waren blaß und verweint, eine junge, ihm unbekannte Frau in der zweiten Reihe schneuzte sich laut.
    »Ich weiß«, fuhr er fort, »die Geschichte von Hiob wird nur den wenigsten von Ihnen Trost bieten. Sie werden denken, was hat das mit mir zu tun, mit meinem Mann, meinen Kindern, die ich so sehr geliebt habe und die mir keiner ersetzen kann?
    Sie haben recht, keiner hier kann Menschenleben ersetzen. Doch Gott hat sie zu sich genommen, und der Tag wird kommen, da werden wir sie wiedersehen, wenn dieses kurze Erdenleben vorüber ist. Noch werden einige von uns viele Jahre darauf warten . . . und die vielen Jahre warten darauf, daß wir hier auf dieser Erde ein rechtschaffenes Leben führen, vielleicht ein rechtschaffeneres, als wir es bisher getan haben. Lieben wir einander mehr, helfen wir, wo Hilfe gebraucht wird! Entsagen wir der Sünde und gebenwir Gott Gelegenheit, in unser Herz zu dringen. Öffnen wir uns dem Geist Gottes!
    Was wir in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch erlebt haben, war vielleicht der Finger Gottes, der unsere Stadt berührt hat. Es war der Finger eines liebenden, strafenden, gütigen und manchmal traurigen Gottes, der auf dieser Stadt seinen Abdruck hinterlassen hat. Es war eine Naturkatastrophe, eine furchtbare Erfahrung für jeden, der sie miterlebt hat, ein entsetzliches Desaster. Gott hat alles erschaffen, er kennt alle Gesetze, und die Natur gehorcht seinem Wort. Wir werden nie Gottes Wirken verstehen, doch wir können versuchen, dieses Wirken zu akzeptieren. Wir müssen wie Hiob Gottes Handeln als gerecht annehmen, auch wenn uns die Gründe dafür verborgen bleiben. Er liebt uns, auch wenn seine Liebe bisweilen grausam erscheint und uns viele Opfer abverlangt. Er hat viel gefordert von uns in den letzten Tagen, doch er hat uns nicht allein gelassen in unserem Schmerz. Denn wie heißt es doch in Johannes 14, Vers 27: ›Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch, nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.‹
    Beten Sie. Bitten Sie Gott um Hilfe in dieser Zeit der Not. Manchmal sprechen die Menschen und Gott aber nicht ein und dieselbe Sprache. Gott versteht uns, wenn wir uns ihm nähern, wir können Gott aber nur verstehen, wenn wir auch zuhören. Wenn wir unser Herz öffnen und auf die feine, leise Stimme hören, die zu uns spricht und uns Trost spendet.
    Was wollte Gott uns mit dieser Katastrophe zeigen? Wenn jemand eine Antwort darauf finden kann, dann nur Sie selbst.
    Ich bete für die Toten, ich bete aber auch für Sie, ich weiß, Ihr Schmerz und Ihre Trauer sind noch lange nicht vorüber.Ich segne Sie und fordere Sie gleichzeitig auf, den Lebenden beizustehen, jenen, die unserer Fürsorge bedürfen.
    Lassen Sie uns jetzt singen und beten. Anschließend begeben wir uns auf den Friedhof, um die Bestattungen vorzunehmen.«
     
    Es war heiß auf dem Friedhof. Er mußte erweitert werden, durch die neuen Gräber waren seine Kapazitäten erschöpft. Engler segnete die Gräber, betete noch einmal, ließ die Angehörigen zu sich kommen, schüttelte Hände, spendete tröstende Worte.
    Eine Stunde nach der Trauerfeier, es war bereits vierzehn Uhr, begann der Friedhof sich zu leeren. Die unbekannten Gesichter verschwanden hinter den getönten Scheiben teurer Limousinen, die Fernsehteams packten ihre Kameras und Mikrofone und Stative ein, und langsam schwanden Hektik und Aufregung aus Waldstein.
    Ein Sarg nach dem anderen wurde in die Tiefe gelassen, nur die Angehörigen, sofern es welche gab, und Engler
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