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Der Falsche Krieg

Titel: Der Falsche Krieg
Autoren: Olivier Roy
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für den Markt keine Rolle, ob die amerikanische Armee die irakischen Ölfelder kontrolliert oder nicht.
    Das bedeutet nicht, dass die Unternehmen überhaupt keinen Einfluss haben. Die großen Ölfirmen standen der Intervention skeptisch gegenüber, aber Baufirmen, die Infrastrukturprojekte ausführen, begrüßten sie: Sie erfüllen ihre Verträge innerhalb sehr kurzer Fristen (sechs Monate bis vier Jahre), sind deshalb von strategischen Wechselfällen nicht betroffen, und vor allem bekommen sie ihr Geld vom amerikanischen Steuerzahler, während die Ölfirmen langfristig agieren und auf stabile Beziehungen zu den Verantwortlichen der ölproduzierenden Länder bedacht sind. Heute verhandeln die Ölgesellschaften mit der neuen irakischen Regierung, damit diese ein für sie möglichst vorteilhaftes Gesetz über Investitionen im Energiesektor erlässt. Aber sie wissen sehr wohl, dass derartige Gesetze auch wieder aufgehoben werden können.

Israel: Ein Verbündeter besonderer Art - autonom, unantastbar und in Bedrängnis
    Grundpfeiler der amerikanischen Politik im Mittleren Osten ist die bedingungslose Verteidigung Israels. Aber sie geht noch über diesen Imperativ hinaus. Die Bush-Administration hat Israel mehr unterstützt als die Vorgängerregierung, allerdings weniger durch das, was sie getan hat, als durch das, was sie unterlassen hat: Washington hat keinerlei Druck auf Israel ausgeübt, den Ausgleich mit dessen Nachbarn, Palästinensern wie Libanesen, zu suchen. Sich nicht in den Friedensprozess einzubringen bedeutet jedoch, die Israelis ungehindert gewähren zu lassen.
    Die Israel-Politik von Präsident Bush hat zwei Bestandteile. Der erste entstammt wiederum einer Vision der Neokonservativen, formuliert in einem Bericht aus dem Jahr 1996 4 (Adressat des Berichts war der damalige Chef des Likud-Blocks, Benjamin Netanjahu) sowie in Ergebnissen und Veröffentlichungen der 1997 gegründeten Denkfabrik »Project for the New American Century«. Darin wird eine klare Gegenposition zum Osloer Friedensprozess und zur Politik von Präsident Clinton bezogen: Israel muss vollkommen freie Hand haben, wenn es darum geht, seine Sicherheit zu gewährleisten und seine strategischen Interessen zu definieren und zu realisieren; es ist undenkbar, über Land gegen Frieden zu verhandeln, sondern es muss ein bewaffneter Frieden sichergestellt werden. Die Israelis sollen mit den Palästinensern verfahren können, wie sie
wollen, denn sie haben sie noch nicht »ausreichend besiegt«. 5 Das ist die Brücke zu dem zweiten Element, das ganz von Präsident Bush kommt: Er will sich unbedingt von seinem Vorgänger Bill Clinton absetzen. Bush wollte sich daher um keinen Preis an Vermittlungsgesprächen zwischen den Akteuren des israelisch-palästinensischen Konflikts beteiligten.
    Doch dass Israel so viel Spielraum gegenüber Palästinensern und Libanesen gelassen wird, bedeutet nicht, dass Washington an anderen Fronten in absolutem Einverständnis mit Tel Aviv handelt. Die pro-israelische Lobby in Washington (»American Israel Public Affairs Committee«, AIPAC) hat die Intervention im Irak gutgeheißen, aber in erster Linie aus dem Bestreben heraus, die Bush-Regierung zu unterstützen, die als besonders Israel-freundlich betrachtet wurde, und dann auch aus dem Wunsch, die allgemeine Problematik des Mittleren Ostens vom israelisch-palästinensischen Konflikt loszulösen: Soll Israel sich um die Palästinenser kümmern und Washington im Mittleren Osten die Dinge in die Hand nehmen, damit die terroristische Bedrohung aufhört.
    Natürlich konnten sich die Israelis über das Ende des Saddam-Regimes nur freuen. Die Überzeugung der Neokonservativen, dass ein demokratischer, von den Schiiten regierter Irak pro-amerikanisch agieren würde, fand in Israel ein gewisses Echo: Ein solcher Irak würde den Iran isolieren und der Front der sunnitischen Araber in den Rücken fallen, sowohl in ihrer religiösen Form (Salafismus) als auch in ihrer nationalistischen
Form (Panarabismus). Damit würde ein alter israelischer Traum Gestalt annehmen. Gleichwohl glaubten die politisch Verantwortlichen in Israel nie an eine Politik der Demokratisierung der arabischen Welt, wie sie im Mittelpunkt des neokonservativen Projekts stand. Sie mutmaßten, dass eine solche Politik die Islamisten an die Macht bringen würde, während sie lieber mit »laizistischen« Diktatoren zu tun hatten, die sie zwar nicht mochten, aber bestens kannten. Sie fürchteten zudem, die Fixierung
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