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Der Falsche Krieg

Titel: Der Falsche Krieg
Autoren: Olivier Roy
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Konservativen eine Kampagne gegen die Friedensabkommen von Oslo und die dauerhafte, freiwillige Einbeziehung Clintons in die Verhandlungen zwischen Israel und Palästina. In ihren Augen war der israelisch-palästinensische Konflikt nicht die Ursache der Spannungen im Mittleren Osten; zuerst mussten die anderen Krisen abgewendet werden, Israel sollte unterdessen freie Hand behalten. Die Hauptgefahr war Saddams Irak, gefolgt vom Iran unter den Mullahs, und die Beseitigung der bestehenden diktatorischen Regime war die Voraussetzung für die Lösung der Konflikte.
    Als Bush junior im Januar 2001 die Amtsgeschäfte übernahm, hatten die Neokonservativen und ihre Verbündeten (Donald Rumsfeld, Dick Cheney) sämtliche Spitzenpositionen der Administration inne und glaubten, sie könnten nun endlich ihre Strategie umsetzen. Aber die ersten Monate der neuen Bush-Regierung waren von Spannungen mit China beherrscht. Die Befürworter eines Militärschlags gegen Saddam Hussein mussten ihre Ungeduld zügeln. Nach dem 11. September schlug endlich ihre Stunde. Die Intervention in Afghanistan war selbstverständlich. Die öffentliche Meinung und die Entscheidungsträger mussten nur noch
davon überzeugt werden, dass der militärische Eingriff lediglich ein Vorspiel sein würde und das wahre Ziel natürlich der Irak war. Schließlich stellte das Regime Saddam Husseins die Hauptbedrohung dar. 2
    Sofort wurden die Prioritäten neu gesetzt, und an die Stelle des Kampfes gegen Al Qaida trat der Kampf gegen Saddam oder vielmehr gegen Bagdad. Drei Argumente wurden zur Rechtfertigung dieser Verschiebung vorgebracht: Saddam Hussein wurde als ein Feind hingestellt, der gefährlicher war als Bin Laden, was die irrwitzige Kampagne wegen der angeblichen Massenvernichtungswaffen erklärt; Bin Laden wurde als Agent und Instrument Saddam Husseins präsentiert, weshalb es eine ausgewachsene Desinformationskampagne hinsichtlich der Verbindungen zwischen den beiden Männern gab; 3 und schließlich wurde Bin Laden auf eine Begleiterscheinung reduziert, schlichter Ausdruck eines allgemeinen Abgleitens der muslimischen Welt in den Radikalismus, was die Umgestaltung der Gesellschaften im Mittleren Osten unumgänglich machte. Diesem Szenario zufolge war die Besetzung des Irak nur ein erster Schritt, zugleich der einfachste und auf lange Sicht der nützlichste. Die ihm zugrunde liegenden Motive waren insofern durchaus aufrichtig, als das amerikanische Establishment das Ausmaß des neuen Terrorismus nie wirklich erfasst hat und beharrlich (bis heute) nach einem Verantwortlichen auf staatlicher Ebene sucht.
    Hier haben wir es weder mit Opportunismus noch mit Manipulation zu tun. Die Neokonservativen hatten sich eine stimmige und in gewisser Hinsicht achtbare
Weltsicht zurechtgezimmert, die sich allerdings als verhängnisvoll erwies, weil ideologisch verzerrt. Umso mehr sollten wir uns vor den traditionellen Deutungen hüten, wie sie von einem Teil der antiimperialistischen Linken zu hören sind, die behaupten, die amerikanische Nahostpolitik werde in Tel Aviv gemacht oder sei hauptsächlich von Ölinteressen bestimmt. Was den Irak betrifft, hat die Bush-Regierung weder aus Sorge um die Kontrolle über die Ölvorkommen gehandelt noch auf Drängen Israels.

Eine Illusion: Der Anteil der Lobbys an der Entscheidung für den Einmarsch in den Irak
Das texanische Exil der Ölbarone
    Nach dem 11. September erschien eine Flut von Artikeln, Büchern und Blogs, die erklärten, warum George W. Bush angeblich die Interessen der amerikanischen Öllobby und der Saudis vertrat. Doch die Beziehungen zwischen Bushs Leuten und den Saudis waren nach dem 11. September miserabel, ein Teil der Neokonservativen wollte sogar den Saudis die Hauptschuld am islamischen Radikalismus in die Schuhe schieben, etwa Stephen Schwartz, Laurent Murawiec und außerhalb der neokonservativen Kreise einflussreiche Autoren wie Daniel Pipes.
    Die Öllobby wiederum, verkörpert von der alten
Mannschaft von Bush senior, angeführt von dessen ehemaligem Außenminister James Baker und unterstützt von den »Arabisten« im Außenministerium (jenen Diplomaten, die Arabisch sprechen und seit der Ära Reagan mit den Verhandlungen im Mittleren Osten befasst waren), lehnte eine Intervention im Irak ab. Man darf nicht vergessen, dass eben diese Mannschaft 1991 an der Regierung gewesen war und sich ausdrücklich gegen eine Besetzung des irakischen Staatsgebiets entschieden hatte, um den Preis, dass Saddam an der
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