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Der Falsche Krieg

Titel: Der Falsche Krieg
Autoren: Olivier Roy
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Macht blieb. Sie schied zusammen mit Bush senior aus dem Amt, wurde von Bush junior 2001 nicht zurückgeholt und agierte fortan von der »Baker Foundation« in Houston (Texas) aus, stets auf Distanz zur neuen Regierung. Auf der politischen Bühne meldete sie sich im November 2006 mit dem berühmten Baker-Bericht zurück, in dem sie die Politik der Regierung Bush junior im Irak und im Mittleren Osten radikal und systematisch kritisierte. Präsident George W. Bush hat den Bericht grandios ignoriert. Die großen amerikanischen Ölfirmen wie Exxon hielten sich ebenfalls sehr zurück und blieben kritisch sowohl im Hinblick auf Sanktionen gegenüber dem Iran als auch der Besetzung von Ölfeldern. Ihnen ist Stabilität, das heißt der Status quo, lieber als Umwälzungen durch eine neue Ordnung in der Region.
    Der Irakkrieg hat im Übrigen das Gleichgewicht der Energieverteilung nicht verändert. Es genügt der Hinweis, dass die Amerikaner nicht in der Lage sind, die irakische Ölförderung wieder in Gang zu bringen, und
noch weniger, sie zu kontrollieren, und schon ist klar, dass dies nicht ihr Kriegsziel war. Washingtons Geringschätzung für eine Politik der militärischen Kontrolle der Ölfelder hatte gewiss nichts mit Achtung vor der Souveränität der betreffenden Völker zu tun, sondern hängt mit dem Glauben an die Dominanz der Marktkräfte gegenüber der Produktion zusammen: Der Markt legt den Preis fest und reguliert die Produktion, und jeder Versuch, nach dem Vorbild der OPEC die Ölförderung als strategische Waffe einzusetzen, ist zum Scheitern verurteilt. Die Abkehr von der imperialistischen Politik der fünfziger Jahre (Sturz von Mossadegh im Iran), die eine direkte oder indirekte Kontrolle von Produktionsstätten beinhaltete, ist offensichtlich. Heute legt der Markt den Preis fest, zumindest sofern kein Land ein Monopol besitzt. Darum muss die Freiheit des Marktes gesichert werden, nicht die Kontrolle über die Produktion. Hinter dem ersten Golfkrieg stand unter anderem der Wunsch zu verhindern, dass der Irak nach der Besetzung Kuwaits ein zu mächtiger Akteur auf dem Markt werden könnte. Nachdem dieses Hegemoniestreben vereitelt war, war die Kontrolle über die Ölquellen überflüssig. Die gleiche Logik trifft auf Afghanistan zu: Eine Gaspipeline, die Zentralasien über Afghanistan mit dem indischen Ozean verbinden würde, interessiert nur die Firmen, die sie bauen würden, und es wäre auch nur ein kurzfristiges finanzielles Interesse. Die Erschließungsfirmen hätten nichts davon, denn das Gas würde auf den damit einzigen erreichbaren Markt gehen, nach Indien. Nach Europa oder Amerika wäre
es nicht zu transportieren. Festzuhalten ist, dass die einzige voluntaristische politische Intervention der Vereinigten Staaten im Ölbereich der Bau der 2004 fertiggestellten Ölpipeline von Baku nach Ceyhan war, die vom Kaspischen Meer durch die Türkei zum Mittelmeer verläuft und dabei einen Bogen um den Iran und Russland macht: Auch hier geht es darum, den Markt offen und liquide zu halten, und nicht darum, die Produktion zu kontrollieren.
    Den Anstieg des Ölpreises zu kontrollieren, war noch nie eine Priorität Washingtons, schließlich profitieren auch amerikanische Produzenten von einer Preiserhöhung. Dadurch wird nicht nur die Erschließung neuer Ölvorkommen rentabel, sondern auch die Suche nach alternativen Energiequellen, wie sie der ehemalige CIA-Direktor James Woolsley unermüdlich propagiert. Und schließlich kann man feststellen, dass die Entwicklung der Situation im Irak die internationalen Rohölpreise in keiner Weise beeinflusst hat; sie schwankten zwar beträchtlich, aber aus anderen Gründen. Im Januar 2007, als es im Irak katastrophal aussah, fiel der Preis für das Barrel unter 50 Dollar. Vor 2003 lag die irakische Produktion bei drei Millionen Barrel pro Tag, 2006 betrug sie nur noch die Hälfte, und davon wird ein Drittel im eigenen Land verbraucht. Auf den Irak entfallen nur zwei Prozent der weltweiten Ölproduktion, mit Investitionen in Höhe von 21 Milliarden Dollar könnte der Anteil innerhalb von zehn Jahren auf sechs Prozent steigen. Die Rückkehr des Irak auf den Ölmarkt wird somit nur schrittweise erfolgen und die
Verteilung der Marktanteile nicht durcheinanderbringen. Der Marktpreis hängt heute vor allem von der Nachfrage aus Indien und China ab, denn der Ausfall der irakischen Produktion wurde durch eine Steigerung der saudischen Produktion kompensiert. Alles in allem spielt es
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