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Der Falsche Krieg

Titel: Der Falsche Krieg
Autoren: Olivier Roy
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Staaten nach dem 11. September 2001 reagieren. Eine militärische Intervention in Afghanistan drängte sich auf: Die Anschläge auf das Pentagon und das World Trade Center waren von Al-Qaida-Mitgliedern organisiert worden, die sich in Afghanistan unter dem Schutz des Taliban-Regimes eingerichtet hatten. Voraussetzung für den Kampf gegen die terroristische Organisation war deshalb, Al Qaida ihres Rückzugsgebietes zu berauben. Die am 13. Oktober 2001 eingeleitete Operation »Enduring Freedom»zielte darauf ab, die Stützpunkte von Al Qaida zu zerstören und das Taliban-Regime zu stürzen. Darüber bestand Konsens in der UNO, mitgetragen von den Europäern einschließlich Frankreichs. Zunächst war die Operation auf afghanischem Territorium auch erfolgreich.
    An dem Punkt hätte man die Militäroperation beenden und zu einer eher klassischen Form der Terrorismusbekämpfung zurückkehren können, bei der die Geheimdienste die zentrale Rolle gespielt und die Zusammenarbeit mit Polizei und Justiz der entsprechenden Länder im Mittelpunkt gestanden hätte. Parallel dazu hätte auf diplomatischem und politischem Weg eine stabile Koalition der vom Terrorismus betroffenen Länder angestrebt werden können, und man hätte die Kontakte mit den muslimischen Bevölkerungsgruppen intensivieren müssen, um die radikalen Kräfte zu isolieren.
Aber die Bush-Administration verfolgte mit ihrem Konzept des »weltweiten Krieges gegen den Terrorismus« einen radikaleren Weg: Um den Terrorismus zu eliminieren, müsse man die eigentlichen Ursachen beseitigen. Soweit entsprachen die Überlegungen noch dem gesunden Menschenverstand, und viele Gegner der amerikanischen Politik stimmten ihr zu. Ungeklärt blieb jedoch die Frage, was unter den »Ursachen« genau zu verstehen war.
    Wer in den Krieg zieht, muss als Erstes den Feind und das Ziel identifizieren. Dafür muss er den Gegner definieren, entscheiden, auf welchem Schlachtfeld er ihn attackieren will, die Waffen entsprechend dem Ziel bereitstellen (oder das Ziel den vorhandenen Waffen anpassen) und schließlich, sobald das Land erobert ist, eine politische Alternative durchsetzen, die die Rückkehr des Feindes verhindert.
    Das erste Problem liegt nun darin, dass die Bush-Regierung den Hauptfeind bereits vor dem 11. September benannt hatte: den Irak unter Saddam Hussein. Das Schlachtfeld war demnach das irakische Staatsgebiet, und die Überwindung des Terrorismus erforderte einen Regimewechsel im Irak und die Demokratisierung des Mittleren Ostens.
    Das zweite Problem ist, dass die Bush-Regierung hartnäckig auf der Behauptung beharrt, zwischen dem internationalen Terrorismus und dem Regime von Saddam Hussein gebe es eine Verbindung. Die amerikanische Armee steckt in dem Konflikt fest. Washington hat unterdessen eine ideologische Flucht nach vorn angetreten,
definiert den Feind - den »internationalen Terrorismus« - in immer vageren und immer stärker ideologisch gefärbten Begriffen (»Islamofaschismus«) und hat sich damit jeder Möglichkeit beraubt, realitätsgerecht zu agieren.
    Und das letzte Problem besteht darin, dass die amerikanische Regierung es nicht verstanden hat, ihre verfügbaren Instrumente den eigenen Zielen anzupassen, weder in militärischer Hinsicht (mit was für einer Armee soll der Krieg gegen den Terrorismus geführt werden?) noch in politischer (wie kann man stabile, legitime und pro-westliche Regime fördern, wie einen »gemäßigten Islam« auf den Weg bringen?), noch in Fragen der Propaganda (wie bringt man am besten seine Vorstellungen unter die Leute?).

Die Fixierung auf den Irak
    Der 11. September 2001 hat die Verantwortlichen in Amerika nur in ihrem Willen bestärkt, den Irak zu besetzen. 1 Statt angemessen auf die Anschläge zu reagieren, nutzten sie die Rachegelüste der Öffentlichkeit aus, um ihr ursprüngliches Ziel durchzusetzen: den Sturz Saddam Husseins. Die Idee reicht weit zurück, genau genommen bis zum Beginn der neunziger Jahre. Neokonservative wie Paul Wolfowitz, seinerzeit Staatssekretär für politische Angelegenheiten im Verteidigungsministerium, waren auf Distanz zu Präsident Bush
senior gegangen, als der im Februar 1991 während des ersten Golfkriegs den amerikanischen Truppen den Befehl zum Stopp gab, nachdem sie die irakische Armee zerschlagen hatten, und er beschloss, Saddam Hussein mit Zustimmung der Öllobby sowie der Saudis an der Macht zu belassen.
    Während der Amtszeit von Bill Clinton (1993 bis 2001) führten dieselben
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