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Der Fall von Thormain

Der Fall von Thormain

Titel: Der Fall von Thormain
Autoren: Ernst Vlcek
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ihm damals nicht gleich an die Kehle gegangen bin.«
    Mythor wandte sich an Wamdon: »Wenn die Caer ein solch furchtbares Strafgericht halten, was wird dann aus euch?«
    »Um uns ist mir nicht bange«, sagte Wamdon, und er kicherte hinter seiner Kapuze. »Lass sie nur in die Unterstadt kommen, wir werden sie schon das Gruseln lehren. Vielleicht werden wir einige Opfer zu beklagen haben, das wäre bedauerlich. Aber nicht lange, und dann wird kein Caer-Krieger mehr wagen, seinen Fuß in unser Reich zu setzen.«
    Ein grollendes Geräusch setzte ein, das sich anhörte, als komme es aus den Tiefen der Erde. Es wurde immer lauter, und dann ächzte das Gestein um sie, der Boden unter ihren Füßen wurde erschüttert, und von der Decke rieselte Sand. Kalathee klammerte sich haltsuchend an Mythor.
    »Kommt es hier öfter zu solchen Beben?« erkundigte sich Mythor besorgt.
    »Wir haben uns bereits daran gewöhnt«, antwortete Wamdon. »Wir wundern uns höchstens, wenn unsere Stadt einmal einen Tag lang nicht von Beben heimgesucht wird. Das hat nichts zu bedeuten. Die Riesen haben für die Ewigkeit gebaut.«
    »Ich bin dir noch eine Antwort schuldig, Wamdon«, sagte Mythor.
    »Du bist nicht dazu verpflichtet«, erwiderte der Aurogaer.
    »Doch«, sagte Mythor bestimmt. »Aber ich fürchte, meine Antwort wird dich enttäuschen. Ich habe im Brunnen nicht meine Bestimmung gefunden. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob ich überhaupt auserwählt bin. Ich habe nach wie vor Zweifel.«
    »Das ist nicht ungewöhnlich«, sagte Wamdon. »Du zweifelst an dir, weil du nicht ohne Fehl und Tadel bist. Doch wer ist schon vollkommen? Wahrscheinlich nicht einmal der Lichtbote. Verspürt nicht auch der Tapferste manchmal Angst, ohne deswegen gleich ein Feigling zu sein? Der Stärkste wird oft schwach, ohne sich seiner Schwäche schämen zu müssen. Geh aufrecht deinen Weg, Mythor, dann erreichst du dein Ziel. Wir sind da!«
    »So schnell?« wunderte sich Steinmann Sadagar.
    »Macht die Fackel aus!« ordnete Wamdon an, und der flackernde Feuerschein erlosch. Der Aurogaer fuhr fort: »Da vorne ist eine kleine Höhle, die in der Bucht herauskommt. Es ist Nacht, so dass die Caer euch nicht entdecken werden. Ich kann euch außer meinen guten Wünschen nichts mit auf den Weg geben.«
    Mythor suchte in der Dunkelheit die Hand des Aurogaers und drückte sie. »Du hast uns sehr geholfen, Wamdon«, sagte er. »Danke für alles.«
    »Ich glaube, ich habe es für den Sohn des Kometen getan.«
    Mythor suchte in der Dunkelheit Royna, die sich während des ganzen Marsches schweigsam verhalten hatte. Er glaubte den Grund zu kennen. Er ging zu dem Mädchen und ergriff seine Hände; es war zu dunkel, um in ihrem Gesicht lesen zu können. Ihr Atem ging schwer.
    »Willst du nicht mit uns kommen, Royna?« fragte er.
    »Mein Platz ist bei Wamdon und seinem Volk«, sagte sie. »Und deiner ist an Kalathees Seite.«
    »Du irrst, Royna«, sagte Kalathee mit spitzer Zunge. »Mythor ist ein Bilderschauer. Aus Frauen aus Fleisch und Blut macht er sich nichts.«
    Mythor spürte, wie ihm Royna die Hände entzog, und sah sie undeutlich in der Finsternis verschwinden.
    »Sie wird darüber hinwegkommen«, versicherte Wamdon.
    »Mythor, der Schwerenöter«, sagte Sadagar kichernd und brachte sich rasch außer Mythors Reichweite.
    Coerl O'Marn hatte den Höhlenausgang erreicht und kletterte ins Freie. Nottr folgte seinem Beispiel gerade. Mythor verabschiedete sich ein letztes Mal von Wamdon und folgte den anderen. Kalathee kam neben ihn und schob ihre Hand in die seine.
    »Mythor?« sagte sie. »Dir kann es nicht entgangen sein, dass Nottr mich noch immer verehrt. Trotzt du deshalb, und bist du deswegen so abweisend zu mir?«
    »Nottrs Gefühle zu dir sind bestimmt aufrichtig«, sagte Mythor .
    »Und wie ist es um deine bestellt?«
    »Still!« erklang da Sadagars ermahnende Stimme. »Draußen wimmelt es nur so von Caer, und ihr beiden turtelt.«
    Mythor war es nicht unangenehm, dass ihm Schweigen geboten wurde und er Kalathee nicht zu antworten brauchte.
    *
    Sadagar hatte maßlos übertrieben, als er sagte, dass es im Hafen nur so von Caer wimmle. Auf dem Kai brannten einige große Lagerfeuer, an denen sich eine Handvoll Caer wärmten. Diese Wachtposten waren nicht besonders aufmerksam, denn Thormain war praktisch gefallen, die Piraten waren besiegt, und andere Gefahren drohten nicht.
    Aus der Stadt drang Lärm, Feuerschein flackerte hier und dort auf. Aber offenbar hatten die
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