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Der Fall von Thormain

Der Fall von Thormain

Titel: Der Fall von Thormain
Autoren: Ernst Vlcek
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erschien der Lorvaner auf der Böschung, hinter ihm Kalathee und Nyala; zuletzt tauchte Sadagar auf.
    »Macht schnell!« sagte Mythor. Er wollte sich Kalathee zuwenden, um sie aufzunehmen und zum Schiff zu tragen. Aber da kam ihm Nottr zuvor. Coerl O'Marn hatte sich Nyalas angenommen und hielt sie fest in den Armen. Sie lehnte sich an ihn und legte ihm den Kopf auf die Schulter.
    »Und wer erbarmt sich meiner?« fragte Sadagar vom Ufer her. Als ihm niemand Beachtung schenkte, überwand er sich und watete das kurze Stück zum Schiff durchs Wasser.
    Mythor und Nottr stemmten sich mit vereinten Kräften gegen den Bug, bis sich der Kiel aus dem Ufersand löste und das Schiff in die Bucht hinaustrieb. Dann erst kamen sie an Bord.
    O'Marn hatte die beiden Frauen im Heck des Schiffes untergebracht, wo sich Felle über irgendeiner Ladung bauschten. Der Ritter trug Nyala und Kalathee auf, diese nach Brauchbarem zu durchsuchen. Er selbst setzte sich neben Sadagar an die Ruderbank. Der Steinmann spuckte in die Hände und legte sich in die Riemen, aber er wirkte nicht recht glücklich dabei. Mythor teilte sich mit Nottr die andere Ruderbank. Zwei der insgesamt sechs Ruder holten sie ein.
    O'Marn bestimmte mit einem verhaltenen »Hetoi« den Takt, und sie ruderten gleichmäßig und kraftvoll bis auf Sadagar, der körperlich mit den anderen nicht ganz mithalten konnte.
    »Wir müssen die Strömung erreichen«, sagte O'Marn. »Dann können wir uns treiben lassen.«
    Das kleine Schiff trieb langsam aus der Bucht und umrundete eine felsige Landzunge. Als sie dahinter verschwanden, wussten sie, dass sie nun vor den Caer endgültig in Sicherheit waren.
    »Da hat jemand sorgfältig seine Flucht vorbereitet«, meldete sich Kalathee, während sie die unter den Fellen versteckte Ausrüstung sortierte. »Da sind Pelze, Wämser und Umhänge zum Schutz gegen die Kälte, Waffen und ausreichend Nahrung und Wasser. Damit können wir uns bestimmt zehn Tage versorgen.«
    »So lange bleiben wir nicht auf See«, sagte O'Marn.
    »Mir tut der Mann leid, dessen Fluchtschiff wir gestohlen haben«, sagte Kalathee. »Vielleicht verschulden wir seinen Tod.«
    »Du brauchst mit ihm kein Mitleid zu haben, denn das ist bestimmt ein Schurke«, sagte Nottr. »In Thormain gibt es nur Schurken.« »Da sind Aufzeichnungen«, ließ sich Nyala vernehmen. »Aber es ist zu dunkel, als dass ich sie lesen könnte.«
    »Kein Feuer machen!« ermahnte O'Marn.
    Sie trieben endgültig aus der Bucht heraus, und O'Marn gönnte ihnen eine Ruhepause. Der Ritter beobachtete ihre Fahrt und blickte immer wieder in Richtung Land, das sich unweit von ihnen als dunkler, unregelmäßiger Schatten abhob.
    »Das ist genug«, erklärte er schließlich. »Wir treiben in der Strömung.«
    Nyala und Kalathee hatten inzwischen für jeden von ihnen einen Imbiss zusammengestellt, so dass sie ihren Hunger stillen konnten. Die Wasserflasche wurde gereicht, und als Abschluss gönnten sie sich einen Krug Wein.
    »Ihr könnt jetzt schlafen«, sagte Coerl O'Marn. »Ich übernehme die erste Wache.«
    »Ich werde dich ablösen«, bot Nottr sich an, so dass Mythor nur die dritte Wache blieb. Steinmann Sadagar wurde von dieser Pflicht entbunden, aber er bestand darauf, dass er nicht ausgenommen werden wolle.
    Sie hüllten sich in die Pelze. O'Marn übernahm das Ruder, Sadagar und Nottr suchten sich mittschiffs Schlafplätze, und Mythor begab sich zum Bug, wo er sich hinter den Aufbauten zusammenrollte. Er mied absichtlich Kalathees Nähe, denn sie brauchten alle ihre Ruhe und er wollte nicht, dass Nottr eine schlaflose Nacht hatte.
    Wenig später waren alle eingeschlafen. Nur Coerl O'Marn saß wach am Ruder und blickte versonnen auf Nyala, deren Gesicht aus den Pelzen herausragte.
    *
    Der Schneefalke zog am klaren Himmel seine majestätischen Kreise.
    Das schwarze Einhorn trabte anmutig durch saftiges grünes Gras.
    Der große Bitterwolf heulte den vollen Mond an.
    Und eine Göttin lustwandelte durch die paradiesische Landschaft, in der Sonne und Mond gleichzeitig schienen und es ebenso Tag wie Nacht war. Ein Dämmertag in einem unwirklich schönen Land, wie nur Träume es hervorbringen können, in einer verzauberten Welt. Das war Mythors Traumland, mit seinen Traumgefährten und seiner Traumfrau.
    Ein Ruck, und der Traum zerfiel. Mythor schreckte hoch und war sofort wach. Um ihn war heller Tag. Coerl O'Marn saß zusammengesunken am Ruder. Vor ihm kauerte Steinmann Sadagar und war in den Anblick einer
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