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Der Fall D. - Eine Stalkerin packt aus

Der Fall D. - Eine Stalkerin packt aus

Titel: Der Fall D. - Eine Stalkerin packt aus
Autoren: Eva J.
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nicht, was
ich da eben gesagt habe. Warum zum Teufel sollte ich mit der neuen Freundin
meines Ex’ Kaffee trinken wollen?
    „Ehrlich?
Toll.“ Die kleine Hoffnung, dass sie ablehnt, wird jäh zerstört.
    „Wann
passt es dir?“
    Bringen
wir es einfach schnell hinter uns. So was Blödes. „Ich bin jetzt daheim.“
    „Prima.
Bis gleich.“
    Daniela
sitzt mir gegenüber. Zierlich, einen knappen Kopf kleiner als ich, kurze
schwarze Haare, hübsches Gesicht. Sie macht keinen unsympathischen Eindruck,
trotzdem tragen meine Gedanken hochgezogene Augenbrauen. Wieso ist sie hier?
Was will sie eigentlich von mir?
    Sie
erzählt, wie sie Tim kennen gelernt hat, wie es begann, von seinen
Geschwistern, die ihr gegenüber skeptisch reagiert haben, die sie nicht gleich
mit offenen Armen empfingen. Davon, wie schwer er sich tue, ihr gegenüber
Gefühle zu äußern. Von der Allgegenwart meiner Person, die – wie es sich anhörte
– künstlich hochgespielt wird, um ihr zu zeigen: Das ist nicht dein Platz. Hier
gehört eine andere hin.
    Scheiß
Situation für sie, finde ich. Mir ist es ein Stück weit egal, ich kann nichts
dafür, sehe hier die Willkür, spende ein wenig Trost – das wird schon. Die Zeit
wird es bringen, so wie die Zeit alles richtet.
    Irgendwie
mag ich sie, irgendwie auch nicht. Was will sie von mir? Soll ich kämpferisch wie
eine Amazone in die Familie zurückkehren und sie offiziell zu meiner Nachfolgerin
küren? Soll ich vielleicht sogar mit Tim reden und ihm erzählen, wie sie
leidet?
    Bloß
nicht, meint sie, er soll bitte nicht wissen, dass sie hier ist. Dachte ich mir
doch, ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er von ihrem Besuch weiß. Er
wäre nie damit einverstanden gewesen, nicht Tim. Er ist nicht so ein Typ.
    Wir
reden ein paar Stunden, trinken Kaffee, rauchen. Es dreht sich um Tim, die
Familie, ihre Beziehung zu ihm und allen andern, meine Beziehung zu ihm und den
anderen. Irgendwann geht sie. Verabschiedet sich freundlich, bedankt sich, dass
ich mir Zeit für ihre Probleme genommen habe. Wir verabreden kein neues
Treffen. Wozu auch? Es gibt nichts, was uns in der Gegenwart verbindet. Jeder
geht seinen Weg, und diese Wege haben keine Parallelen, kreuzen sich auch
nicht.
    Wir
schreiben das Jahr 1987, ein Tag im Herbst, irgendein banaler Tag, dessen Datum
ich vergessen habe. Sie hat mich überrumpelt und erstaunt, Nachdenklichkeit in
mir hinterlassen. Nun weiß ich, wer sie ist, welche Probleme sie quälen, wie
die anderen denken. Was ich nicht weiß: Daniela ist eine Stalkerin. Und ich bin
ab sofort ihr Opfer.
     
    Daniela
     
    Den Jägerzaun fest
mit den kleinen Händchen umfasst, den Kopf weit in die Öffnung gesteckt und
geschrien, als ginge es um mein Leben .
     
    So
begann mein erster Tag im Kindergarten, als sich meine Mutter von mir verabschiedete.
Es war schlimm, unendlich schlimm, und es hat sich angefühlt, als würde die
Welt für mich untergehen. Der zweite Tag verlief genauso, ebenso wie der
dritte. Ich fühlte mich alleine, leer, hilflos und verlassen und selbst die
liebste aller Kindergartentanten, Tante Gustel, war nicht in der Lage mich zu
trösten. Ich kauerte, ohne mich an irgendetwas zu beteiligen, in einer Ecke und
wartete auf meine Mutter ... Schließlich wurde ich nach drei Tagen vom Kindergarten
abgemeldet und durfte zu Hause bleiben. Dort, in meiner eigenen Welt, die aus
Musik hören im Dunkeln und endlos in meinem Bett dazu schaukeln, ob mit dem
Kopf oder dem Oberkörper, bestand. Immer zum Rhythmus der Musik. Dort gab es
für mich viele kleinere Welten. Je nach dem, wohin ich grade wollte, benutzte
ich meine Musik, um mich auszuklinken und wegzufliegen.
    Mein
Name ist Daniela und ich bin eine Stalkerin! Wer nicht in der gleichen
Zwangslage ist wie ich, wird sich jetzt angewidert rumdrehen und mich stehen
lassen, einige abfällige Bemerkungen machen … den Kopf schütteln. Igitt! Abschaum!
Straftäter. Mit solchen Menschen will ich nichts zu tun haben. Ich kann es verstehen,
bin selbst von mir und meinem Verhalten zutiefst geschockt und habe lange
gebraucht, um zu erkennen, was mit mir los ist, und versuche zu akzeptieren,
dass ich mich als „Stalker“ bezeichnen muss und soll. Nach all den Jahren des
Blockierens, der Lebensscherben, der Himmelsflüge und Höllenstürze habe ich
endlich begriffen, was ich bin, was ich getan habe und noch immer tue und dass
ich mich dem stellen muss – um andere und mich selbst zu schützen.
    Stalking
ist ein Teufelskreis, nicht nur
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