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Der Falke des Pharao

Der Falke des Pharao

Titel: Der Falke des Pharao
Autoren: Lynda S. Robinson
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Echnaton ermorden wollten. Er hatte Verdacht geschöpft und hatte es trotzdem zugelassen, daß Ay ihn an die Grenze zum Libanon schickte. Und auch wenn sein eigenes Gewissen rein gewesen wäre, hätte er sich um den jungen König Sorgen gemacht. Man konnte nicht vorhersagen, ob diese Neuigkeit im Pharao den Knaben oder den sorgenvollen Monarchen wachrufen würde.
    »Im Tempel des Anubis ist ein Mann gefunden worden«, sagte Meren. »Er wurde mit einem Einbalsamierungsmesser erstochen, in den Hals, und der Hüter der Geheimnisse des Anubis bittet mich um Hilfe.«
    Die Augen des König weiteten sich. Er kniete mit einem Bein auf dem Sitz eines Ebenholzstuhles nieder und erschauderte. »Eine Entweihung der Einbalsamierungsstätte. Glaubt Ihr, daß die armen Seelen der Toten vor Furcht geflohen sind? Vielleicht haben sie Angst vor der Wiedergeburt bekommen.«
    »Ich weiß es nicht, Majestät, aber dieses Böse geschah an einem heiligen Ort und betrifft Priester. Hier kann man nicht einfach die Verdächtigen verhaften und sie prügeln lassen in der Hoffnung, daß sich der Verbrecher unter ihnen befindet.«
    »Nein«, sagte der König. »Es ist nicht klug, Priester prügeln zu lassen.«
    Tutenchamun wandte sich um und kauerte sich in den Ebenholzsessel. »Sie werden einen weiteren Mörder jagen, und ich werde stundenlang im Thronsaal sitzen und den Klagen der Gouverneure, Beamten, Priester und dieses Hethiters, dieser Kobra von einem Botschafter zuhören.«
    Meren verneigte sich vor seinem König. Er registrierte den wehmütigen Gesichtsausdruck und die zusammengesunkenen Schultern. Einmal war Kysen eine ähnliche Bürde aufgeladen worden wie jetzt dem König, und Meren hatte Jahre gebraucht, um den Schaden, der seinem Adoptivsohn durch seinen leiblichen Vater zugefügt worden war, wieder gutzumachen. Er würde mit Ay sprechen, man mußte dem König Zeit geben, ein Knabe zu sein statt eines göttlichen Herrschers.
    »Ich habe meinen Sohn in den Tempel des Anubis gesandt, bevor ich den Pharao aufsuchte. Soll ich meinen Herrscher informieren, wenn ich Neuigkeiten über diese Schandtat habe?«
    »Ja!« Der König sprang plötzlich auf. Fast hätte er den Stuhl dabei umgeworfen. »Ja, berichtet mir alles. Wenigstens kann ich Euch vertrauen und weiß, daß Ihr das Böse nicht vor mir verbergt oder Eure Angelegenheiten aufbauscht, um meine Gunst zu erlangen. Ihr müßt Euch beeilen. Die Angelegenheit mit dem Einbalsamierungsmesser ist wahrscheinlich die einzige interessante Geschichte des Tages.«
    Meren sprang nun seinerseits erschrocken auf, als der Pharao seinen Arm ergriff und ihn zur Tür zog. Tutenchamun öffnete die Tür mit einem Schwung und versetzte Merens Schulter einen kleinen Stoß.
    »Beeilt Euch. Ich erinnere mich an das, was Ihr mir sagtet: ›Man muß den Ort, an dem das Unheil geschah, untersuchen, bevor der Geruch und die Spuren des Übels sich verlieren.‹ Beeilt Euch.«
    Meren verließ die königlichen Gemächer. Die Tür schloß sich hinter ihm, und er blickte in die Gesichter der erstaunten Höflinge, die ihn ansahen, als sei er ein rotes Krokodil. Meren verbarg die Bestürzung, die von ihm Besitz ergriffen hatte, seit der Pharao ihn berührt hatte, verbarg sich hinter einer Säule und machte sich auf den Weg zu seinem Wagen. Eine Neuigkeit wie diese würde sich innerhalb einer Stunde im ganzen Hof verbreitet haben. Noch vor Anbruch der Nacht würde die Nachricht von diesem Gunstbeweis auf dem Weg nach Babylon, Tyre, Sidon und an die Höfe der syrischen Prinzen und des Königs der Hethiter sein.
    Als er sich seinen Weg durch die Gruppen von Edelleuten, Staatsbeamten und Würdenträgern des Palastes bahnte, bewahrte Meren das, was er insgeheim als seine unsichtbare Maske bezeichnete. Da er viele Jahre an einem Hof verbracht hatte, an dem es tödlich sein konnte, der falschen Person zuzulächeln oder zum falschen Zeitpunkt die Augenbraue in die Höhe zu ziehen, war das Verbergen des wahren Gesichts seines ka, seiner Seele, so natürlich wie das Tragen eines Rocks. Bevor der alte Pharao seinen Vater getötet hatte, war er so offen wie eine Lotosblüte gewesen. Am Tag, als die Wachen des Pharao seinen Vater verschleppten, verschloß sich diese Blüte zu einem festen Knoten und öffnete sich niemals wieder. Im Herzen dieses Knotens verbarg er die Narben, die der Tod seines Vaters, seine eigene Folter und Entwürdigung hinterlassen hatten. Und er verbarg dort die mutmaßliche Wahrheit über Echnatons Tod.
    Es
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