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Der Falke des Pharao

Der Falke des Pharao

Titel: Der Falke des Pharao
Autoren: Lynda S. Robinson
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heraus und warf sie, einen nach dem anderen, in die Luft. Die Kugeln segelten auf und nieder. Der einzige Laut, den er hörte, war das sanfte Klopfen des Leders, das seine Handflächen berührte.
    Er hatte magische Amulette ausprobiert, um die Dämonen der Träume abzuhalten. Er hatte sich von seinem Arzt einen Schlaftrunk geben lassen. Er hatte versucht, sich mit Hilfe einer Frau zur Erschöpfung zu treiben. Dann hatte ihm sein Sohn die Lederbälle gegeben, und Meren hatte Frieden gefunden. Wenn er wollte, daß die Lederbälle in der Luft blieben, konnte er an nichts anderes denken.
    Schneller und schneller warf er die Bälle in die Höhe, bis sein Inneres nur noch mit der Bewegung seiner Hände und dem Flug dieser kleinen Wurfgeschosse beschäftigt war. Nach und nach ging sein Atem langsamer und seine Nerven waren nicht länger zum Zerreißen gespannt.
    Nachdem er seine Ruhe wiedergefunden hatte, hörte er außerhalb seines Zimmers das schnelle Trippeln nackter Füße auf dem Boden. Meren fing die Bälle auf und legte sie auf den Boden. Er verhielt sich ganz still, und versuchte angestrengt, zu erraten, aus welcher Richtung das Geräusch kam. Er bewegte sich vorsichtig auf die Öffnung zu, die in den Hof führte und schlich sich um die Tür herum.
    Im Schatten einer Palme entdeckte er eine schwarze Gestalt, die sich bückte und mit beiden Händen etwas aufhob. Meren lächelte, als der Eindringling sich aufrichtete und beinahe nach hinten taumelte. Den Honigtopf an seinen hervorstehenden Bauch gepreßt, die Lippen vor lauter Konzentration auf seine Aufgabe geschürzt, tauchte der Sohn seines Sohnes eine Faust in den Behälter und stopfte sie dann in seinen Mund.
    Meren rief sanft: »Remi«.
    Remi hob den Kopf, erblickte Meren und grinste ihn mit verschmiertem Mund an. Meren lachte. Er schritt zu dem Kind hinüber, hob ihn hoch und nahm ihn auf den Schoß. Der Honigtopf stieß in seinen Magen, und Remi schob ihn vor sein Gesicht. Meren rettete den Topf und drückte das Kind an sich.
    »Gierige kleine Biene, du bist als erster auf den Beinen, wie gewöhnlich.«
    Remi hatte vergessen, daß der gesamte Haushalt noch still vor sich hinschlummerte und begann mit lauter Stimme vor sich hin zu plappern. »Ich will spielen. Und ich kann meinen Bogen und meine Pfeile nicht finden. Die Kinderfrau hat sie versteckt.«
    »Still! Wenn du jetzt lieb bist, dann kannst du mir beim Jonglieren zusehen.«
    Mit dem Jungen im Schlepptau kehrte Meren in sein Zimmer zurück. Beim Jonglieren war Remi das ideale Publikum. Fürst Meren, Freund des Königs, einer der Vertrauten und Spione des Pharao, konnte seine Würde nicht in der Öffentlichkeit aufs Spiel setzen, indem er wie ein gewöhnlicher Gaukler Jonglierkunststückchen vorführte. Kysen hatte schon seit langem die Geduld verloren, sich Merens Possen anzusehen, doch bei Kysens Sohn lag der Fall anders.
    Meren setzte Remi mit seinem Honigtopf auf den Boden und nahm die Jonglierbälle wieder zur Hand. Während er sie von einer Hand in die andere warf, fiel das erste Morgenlicht in den Raum. Häufig – wenn die Sorge ihn plagte, welches Unheil die Hethiter den syrischen Vasallen des Pharao antun wollten, oder wenn er sich Gedanken machte, ob es sich bei dem Tod eines reichen babylonischen Kaufmanns um Unfall oder Mord handelte – schob er seine Sorgen beiseite und begann zu jonglieren; und meistens stellte er dann fest, daß er das Problem nun, da er seine Gedanken davon abgelenkt hatte, aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten vermochte.
    Er brauchte die geistige Klarheit, die ihm das Spiel mit den Kugeln brachte; bald würde er sich waschen, ankleiden und sich in den Palast begeben, um dem Pharao einen Besuch abzustatten. Ein goldener Reif würde dann sein Handgelenk bedecken, um vor dem Angesicht des Königs das Mal zu verbergen, das Tutenchamuns Bruder dort angebracht hatte. Denn der König konnte den Anblick ebensowenig ertragen wie Meren; es erinnerte an Irrsinn, an Bürgerkrieg und an Tod.
    Der Honigtopf segelte auf ihn zu. Meren ließ einen Ball fallen und fing das Gefäß auf. Es hüpfte in seine Hand. Eine Kugel traf seinen Kopf. Eine weitere seinen Fuß, aber er hielt den Honigtopf fest. Der klebrige, braune Saft ergoß sich über seine Hand und rann durch seine Finger. Remi krähte, und tänzelnd wich Meren einem Strom von Honig aus. Er brachte den Topf wieder ins Gleichgewicht, setzte ihn auf den Boden und wischte sich die Hände an seinem Gewand ab.
    »Du kleiner
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