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Der Falke des Pharao

Der Falke des Pharao

Titel: Der Falke des Pharao
Autoren: Lynda S. Robinson
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Fäkaliengestank wahrnahm, der aufstieg, als man das Gewand lüftete. Neben Pashed stand der Heizer und war damit beschäftigt, Salzkristalle vom Kopf des Mannes zu entfernen. Mit einem Fluch auf den Lippen sprang er plötzlich rücklings vom Tisch herunter. Raneb warf ihm angesichts seiner akrobatischen Übungen einen finsteren Blick zu, aber der Heizer deutete mit zitternden Fingern auf den Kopf des Leichnams. Raneb trat näher heran.
    Der Nacken des Eindringlings war mit einer dünnen Natronschicht bedeckt, und die feinen Falten, die seinen Hals durchzogen, zeugten davon, daß er mittleren Alters gewesen sein mußte. Seine Kehle war so bleich wie der ganze Rest seines Körpers, und aus ihrem Fleisch ragte ein Einschneidemesser aus Obsidian.
    Meren hörte einen Schrei. Ein Schmerz bohrte sich durch das Fleisch an seinem Handgelenk, schoß seinen Arm hinauf bis zu seinem Herzen, er saß aufrecht in seinem Bett und schnappte nach Luft. Das Blut pulsierte wie Kriegstrommeln in seinen Schläfen, während er die Hände in der Decke festkrallte und die dünnen Vorhänge anstarrte, die seine Bettstatt umgaben. Langsam zog er ein nacktes Bein an seine Brust und schlang die Arme darum.
    Der Alptraum hatte ihn wieder eingeholt, zu einem Zeitpunkt, da er schon geglaubt hatte, daß sein Herz endlich von jenem Entsetzen befreit wäre. Vielleicht war es das Ka des toten Königs, das ihn nicht freigeben wollte. Im Geiste war er wieder in dieser Zelle, verwirrt und einsam, sein Magen krampfte sich vor Hunger zusammen, sein Rücken bestand nur noch aus Striemen von den Schlägen. Und all das, weil sein Vater sich geweigert hatte, die alten Götter Ägyptens gegen den einen Sonnengott des Pharao einzutauschen.
    »Nein.« Meren schloß fest die Augen, aber es war zu spät, um zu verhindern, daß die Erinnerungen in seine Gedanken eindrangen.
    Er war wieder in der Zelle, und sie waren gekommen, um ihn zu töten, aber das kümmerte ihn nicht mehr. Er war achtzehn Jahre alt, und er hieß den Tod willkommen, denn sie hatten seinen Körper zum Gefäß der Qual gemacht. Er würde sich Osiris in der Unterwelt anschließen. Meren lag bäuchlings auf dem erdigen Boden. Er war nackt, sein Rücken war überzogen mit verkrustetem Blut. So beobachtete er, wie sich ihm schmutzige Füße näherten, anhielten und sich neben seine Arme stellten. Er biß sich auf die Lippen, um ein Wimmern zu unterdrücken, als die Wachen ihn hochzogen. Er schwankte, und sie mußten ihn stützen, damit er stehenblieb. Sie zerrten ihn aus dieser Zelle hinaus in eine andere, in der Schatten an den Wänden tanzten, die durch das Licht der Fackeln verursacht wurden.
    Eine kalte Hand berührte sein Gesicht, und Meren öffnete die Augen. Echnaton starrte ihn aus seinen schwarzen fanatisch glühenden Augen an. Meren lächelte den König an, er war amüsiert, daß der Pharao es für angemessen hielt, ihm beim Sterben zuzusehen. Seine Position als Erbe einer der ältesten Adelsfamilien Ägyptens hatte dazu geführt, daß man ihn als einen der ersten in den Kerker geworfen hatte, und nun würde sie ihm einen Tod in Anwesenheit eines lebenden Gottes bescheren.
    »Ich sollte dich töten, wie ich deinen Vater getötet habe«, sprach der König. Seine kalte Hand spielte mit einer Locke von Merens Haar. »Aber Ay hat sich zu deinen Gunsten ausgesprochen. Er sagt, daß du noch jung genug bist, um dich die Wahrheit zu lehren. Meine göttliche Majestät glaubt nicht daran, aber der Eine Gott, mein Vater, befiehlt mir, unseren Kindern gegenüber Gnade walten zu lassen. Nicht wahr, Ay?«
    »Ja, Göttlicher.«
    Meren zwinkerte und wandte den Kopf. Ay hatte die ganze Zeit neben ihm gestanden. Meren öffnete die Augenlider weit und versuchte seinen Mentor zu sehen. Ays schmales Gesicht verschwamm und wurde wieder scharf, und Meren hielt den Atem an. Ay fing seinen Blick auf und hielt ihm stand.
    Der König sprach erneut. »Wir stellen unsere Frage nur ein einziges Mal, Fürst Meren. Erkennt Ihr Aton, meinen Vater, als den einzig wahren Gott an?«
    Meren starrte seinem Mentor in die Augen und schüttelte unmerklich den Kopf. Ay verlangte von ihm, sein Ka der ewigen Verdammnis zu überantworten. Sein Vater war lieber gestorben als seine unsterbliche Seele zu verlieren; konnte er sich mit weniger zufriedengeben? Aber Ay wünschte, daß er lebte. Meren konnte es in seinen Augen lesen. Und Meren, mochten die Götter ihm vergeben, wollte leben.
    Meren öffnete seine aufgesprungenen Lippen und
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