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Der Fälscher aus dem Jenseits

Der Fälscher aus dem Jenseits

Titel: Der Fälscher aus dem Jenseits
Autoren: Pierre Bellemare
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hieß.
    Am 20. Januar 1972 erstattete MacGraw-Hill Anzeige gegen William Marlow. Daraufhin übernahm die Polizei den Fall und ließ die drei Briefe von Howard Hughes, die Marlow geliefert hatte, von Captain MacNally, dem besten Grafologen des FBI, analysieren. Dieser schloss auf eine Fälschung, obwohl die Schrift dem Original sehr nahe kam und man offenbar große Anstrengungen unternommen hatte, um eine so gute Imitation zu erreichen.
    Da dieser Befund ziemlich nuanciert war, ging der Verleger vorsichtig vor, zumal sich William Marlow, der nach Zahlung einer hohen Kaution auf freiem Fuß blieb, mit gewohnter Selbstsicherheit verteidigte. Das Gutachten von Captain MacNally fegte er beiseite. »Grafologen irren sich ständig, das ist doch bekannt. Die drei ersten haben das Gegenteil behauptet.«
    Auch für die Tatsache, dass seine eigene Frau die Rolle von Howard Hughes’ Gattin gespielt hatte, hatte er eine Erklärung parat.
    »Da hab ich tatsächlich gelogen. Aber nur auf Anordnung von Hughes selbst. Er hat verlangt, dass Edna als Zwischenperson dienen soll, um Spuren zu verwischen.« Was sollte man davon halten? Bei dem Milliardär war nichts unmöglich. Außerdem brachte William Marlow die tausend Seiten der Biografie, die er endlich fertig geschrieben hatte. Was den bekannten Teil von Hughes’ Leben anging, war das lediglich eine respektable Fleißarbeit, alles jedoch, was den unbekannten Teil betraf, war faszinierend. Der Verleger hätte so gerne daran geglaubt. Geglaubt, dass Marlow die Wahrheit sagte. Geglaubt, dass er keinem Betrüger eine irrwitzige Summe in den Rachen geworfen hatte, sondern dass er hier das Manuskript des Jahrhunderts in Händen hielt. Bei MacGraw-Hill begann man wieder Hoffnung zu schöpfen.
    Und doch wurde diese Hoffnung einige Tage später bitter enttäuscht. Was William Marlow für unmöglich gehalten hatte, geschah. Howard Hughes beschloss nach mittlerweile vierzehn Jahren, sein Schweigen und seine Isolation zu unterbrechen. Er rief sieben Journalisten, die er noch von früher kannte, zu sich auf die Bahamas und gewährte ihnen ein Interview.
    Allerdings kein gewöhnliches Interview, wie es jeder beliebige Privatmann oder sogar Staatschef gegeben hätte, sondern ein Interview à la Hughes. Die Journalisten saßen in einem Raum, während er sich irgendwo anders befand, wo, wusste keiner. Er unterhielt sich mit ihnen über ein für die damalige Zeit unglaublich ausgeklügeltes Videosystem, durch das er sie sehen konnte, während sie ihn nur hörten.
    »Erkennt ihr meine Stimme wieder?«
    »Ja, Mr Hughes.«
    Zuerst wandte er sich mit ein paar Worten an jeden einzelnen, wobei er ihnen diese oder jene Einzelheit einer Unterhaltung, die sie früher einmal geführt hatten, in Erinnerung rief.
    »Seid ihr euch jetzt sicher, dass ich es wirklich bin, der da mit euch redet?«
    »Ja, Mr Hughes.«
    »Dann hört mir mal gut zu. Ich bin diesem Marlow nie begegnet. Er ist ein Lügner, ein Betrüger...«
    Dieses Mal war jeder Zweifel ausgeschlossen. Mac-Graw-Hill konnte das Geld abschreiben. Der Verlag hatte 1 500 000 Dollar verloren, während die Zeitschrift Life 250 000 Dollar eingebüßt hatte. Insgesamt hatte William Marlow über 1 600 000 Euro ergaunert. Die Sache erregte gewaltiges Aufsehen, nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern in der ganzen Welt.
    In allen Medien sprach man nur noch von Marlow. Newsweek , die zweite große amerikanische Zeitschrift, freute sich insgeheim über das Pech ihrer Konkurrentin Life und brachte Marlow sogar aufs Titelblatt mit der Schlagzeile: »Der Betrüger des Jahres«.
    William Marlow wurde zusammen mit Edna und seinem Freund Gerald Cheney vor das Bundesgericht von New York gestellt und am 16. Juni 1972 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, während seine Frau zwei Jahre auf Bewährung und zwei Monate Haft erhielt. Dazu mussten beide jeweils 10 000 Dollar Strafe zahlen. Der Dokumentalist Cheney kam mit sechs Monaten Haft davon.
    20 000 Dollar Strafe sind, wenn man 1 750 000 Dollar ergaunert hat, kein Grund zur Verzweiflung. Doch damit war die Geschichte noch nicht zu Ende. Raten Sie einmal, womit sich William Marlow die erzwungene Freizeit im Gefängnis vertrieben hat? Er hat natürlich ein Buch geschrieben.
    Als er zu Edna sagte, dass er nach Fälschung als Nächstes Die Memoiren von Howard Hughes schreiben würde, hatte er sich geirrt. Nach Fälschung schrieb er Die Memoiren von William Marlow. Diese wurden zwar nicht der Erfolg des Jahrhunderts,
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