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Der Fälscher aus dem Jenseits

Der Fälscher aus dem Jenseits

Titel: Der Fälscher aus dem Jenseits
Autoren: Pierre Bellemare
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doch wenn man einmal auf der Titelseite von Newsweek gelandet ist und wenn einem der Titel »Betrüger des Jahres« verliehen wurde, steht man im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Darum riss sich das Publikum das Buch förmlich aus den Händen. Als William Marlow aus dem Gefängnis entlassen wurde, war er reich und berühmt. Das ist kein besonders moralischer Schluss, aber das Leben gleicht nun mal nicht immer einem Märchen.
     

Freunde im Schatten
     
    Vereinigte Staaten, Mai 1993. Benny Windsurf, Angestellter einer Rüstungsfirma, wurde zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt, sein »Komplize«, James Mulburough, zu neun Monaten. Man nahm sie vor den Augen ihrer Frauen und Kinder fest und führte sie aus ihren Häusern ab wie gefährliche Mörder, die Hände mit Handschellen auf den Rücken gefesselt. Doch im Gefängnis wurde ihnen das Privileg eingeräumt, eine Zelle miteinander zu teilen. Wenn sie aus dem Gefängnis entlassen würden, hätten sie alle Zeit der Welt, Bilanz ihres unmoralischen Lebenswandels zu ziehen, ihre enormen Schulden abzuzahlen und zu versuchen, ein halbwegs normales Leben zu führen, um ihre Frauen und Kinder zu ernähren. Doch als sie ins Gefängnis gebracht wurden, versammelte sich eine riesige Menschenmenge vor der Strafvollzugsanstalt. Die Leute schwenkten Protesttransparente. Man spürte, dass die beiden Verurteilten die Sympathie vieler Amerikaner genossen. Und man konnte nur hoffen, dass diese Sympathiekundgebung auch eine praktische Hilfe mit sich bringen würde — Arbeit und finanzielle Unterstützung damit die Inhaftierten in der Gesellschaft wieder einen ehrenhaften Platz einnehmen konnten.
    Im Juli 1990 brachen Benny und James mit ihren Ehefrauen zu einer Bergwanderung auf. Das Wetter war schön und sie hatten alles dabei, um an einem kühlen Gebirgsbach ein fröhliches Picknick zu veranstalten. Alle waren bester Laune und zogen sich gegenseitig wegen ihrer Leibesfülle auf, was darauf hinwies, dass sie lieber den Gaumenfreuden frönten statt sportliche Rekorde anzustreben. Die Gespräche waren lebhaft und es wurde viel gelacht. Sie näherten sich dem vorgesehenen Rastplatz, wo sie sich dem Inhalt ihrer Körbe widmeten und die Dosen mit den durstlöschenden Getränken öffneten. Sie bewunderten die Landschaft, machten Fotos, überlegten, welchen Weg sie nun nehmen würden, und studierten die Straßenkarte.
    Ein kleiner Weg schien sich als interessante Abkürzung zu dem Berggipfel anzubieten, von dem aus man das gesamte Panorama würde bewundern können. Es war ein steiler Bergpfad, der auf der einen Seite von nackten Felsen und auf der anderen von einer Schlucht voller dorniger Sträucher gesäumt war. Alle gingen im Gänsemarsch. Da sie nicht zum Bergsteigen hergekommen waren, hielten sie es nicht für erforderlich, sich anzuseilen. Benny, der erfahrenste von ihnen, ging voran. Zudem kannte er die Gegend am besten, da er schon von klein auf hierher kam.
    Einmal wandte er sich um, um seinem Freund James und den Frauen, die vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzten, einen Rat zu erteilen. Dabei trat er jedoch auf einen wackeligen Stein. Der große Stein geriet unter seinem Gewicht ins Rollen und brachte den unglücklichen James aus dem Gleichgewicht, sodass dieser, ohne einen Laut von sich zu geben, in die Schlucht stürzte. Der gesamte Vorfall dauerte nur wenige Sekunden, und die drei anderen stießen gleichzeitig einen Schrei des Entsetzens aus.
    »James! James!«
    Benny und die beiden Frauen schauten in die Schlucht und riefen vergeblich immer wieder nach dem Freund beziehungsweise Ehemann, doch sie erhielten keine Antwort. Sie konnten den armen James nicht mehr sehen. War er noch am Leben? Irgendwie mussten sie eine Möglichkeit finden, zu ihm hinunterzukommen.
    Trotz der Tränen der Frauen beschloss Benny, der äußerste Vorsicht walten ließ, in die Schlucht abzusteigen. Dabei rief er immer wieder: »James, hörst du mich?«
    Zwischen Dornenranken und Gestrüpp ging es immer weiter abwärts. Schließlich hörte Benny ein leises Wimmern. Weiter oben am Hang folgten ihm die beiden Frauen mit größter Vorsicht. Ein zweiter Absturz würde alles nur noch mehr komplizieren. Schließlich gelangte Benny zu James’ Absturzstelle. Der Freund lebte, murmelte jedoch unverständliches Zeug. Dann hörte Benny ihn sagen: »Mein Rücken tut mir weh, meine Beine...«
    Benny erkannte den Ernst der Lage auf den ersten Blick. Auch wenn James noch lebte, war er in einer üblen
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