Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Erdrutsch (German Edition)

Der Erdrutsch (German Edition)

Titel: Der Erdrutsch (German Edition)
Autoren: Stephan Martin Meyer
Vom Netzwerk:
Leichter Brandgeruch stieg Johan in die
Nase. Während er noch darüber nachdachte, was wohl die Ursache für
den Brand gewesen sein mochte, kam ein großer weißer Hund auf ihn
zugetrottet. Es war Daisy, der Hund des Hofes, der jeden Gast
begrüßte und mit jedem Jahr etwas behäbiger wurde.
    „ Da
muss aber ganz schön was los gewesen sein“, meinte sein Vater,
während er die Koffer aus dem Auto lud. „Die schönen alten Bäume
sind alle weg.“
    Er drückte Johan eine Tasche in die Hand. Sie gingen auf den Eingang
zu, dicht gefolgt von Daisy. Der Hausflur war düster, alte
Holzbohlen trugen die Decke und die Dielen knarzten bei jedem
Schritt. Rechts befand sich der Neubau mit dem Frühstücksraum, der
sehr viel heller und freundlicher war, wenn er sich auch im gleichen
Stil wie das gesamte Haus präsentierte: Sehr traditionell mit viel
Holz und Ölbildern, die die umliegende Landschaft darstellten. Eine
Tür weiter war die Küche, in der, wie oft um diese Zeit, die
gesamte Wirtsfamilie versammelt saß. Sie aßen immer vor ihren
Gästen. Frau Lechner stand auf, als Johan in die Küche trat.
    „ Ah,
da seid ihr ja endlich. Herzlich willkommen. Habt ihr eine gute Fahrt
gehabt? Wir haben die Zimmer 14 und 15 für euch vorgesehen. Ist das
recht?“
    Die Zimmeraufteilung war schnell abgewickelt. Beide Zimmer gingen zum
Tal hinaus, das eine war eine Winzigkeit größer als das andere und
wurde kommentarlos von den Eltern okkupiert. Johan war das egal. Er
würde sowieso nicht viel Zeit in dem Zimmer verbringen. Die Räume
waren einfach eingerichtet und hatten jeweils ein kleines Bad mit
Dusche. Trat man aus der Balkontür nach draußen, so wurde man von
einem atemberaubenden Ausblick in das Tal und auf die Berge
empfangen. Über den Balkon waren alle Zimmer der Etage miteinander
verbunden.
    Johan machte sich auch sofort auf, um die Umgebung zu erkunden.
Zuerst ging er in den Keller, um nachzusehen, ob das Wasser im
Schwimmbad schon eingelassen war. Es war ziemlich kalt und es würde
wohl noch ein paar Tage dauern, bis es eine passable Temperatur
hätte. Zum Schwimmen würde es reichen. Danach betrat er über den
Hinterausgang den Hühnerhof. Auf einem großen Haufen Mist tummelten
sich etwa zwanzig Hühner und ein Hahn. Unterhalb des umzäunten
Gemüsegartens waren am steilen Hang die Weinreben einer neuen
Apfelbaumplantage gewichen. Johan erinnerte sich daran, dass es im
Jahr zuvor einen lebhaften Streit zwischen dem alten Lechner und
seinem Sohn gegeben hatte. Der Sohn, Felix, hatte sich für den Anbau
der lukrativeren Äpfel eingesetzt, während sein Vater den Wein
behalten wollte. Offensichtlich hatte sich Felix durchgesetzt. Johan
bog um die Ecke und blieb wieder erstaunt vor dem kahlen Hang stehen.
Erst aus dieser Perspektive erkannte er das ganze Ausmaß des
Brandes. Auf einer Breite von etwa 300 Metern war alles abgebrannt.
Eine Schneise zog sich den Berg hoch, Johan konnte nicht erkennen, wo
sie aufhörte. Er ging am Haus vorbei. Es schien wie ein Wunder zu
sein, dass die Pension keinen erkennbaren Schaden genommen hatte. Bei
genauerer Betrachtung stellte er fest, dass die Erde schon an vielen
Stellen weggespült war und der Fels zum Teil nackt da lag. Lange
Stahlzäune waren quer zum Hang gespannt, etwa eineinhalb Meter hoch
und über die gesamte Breite der abgebrannten Fläche. Im Abstand von
vielleicht dreißig Metern zogen sie sich den Hang hinauf und sollten
diesen vor dem Abrutschen bewahren. Der Berghang machte keinen
besonders vertrauenerweckenden Eindruck. Felsen, Steine und Geröll
schienen nur auf den geeigneten Zeitpunkt zu warten, um sich in
Richtung Tal zu bewegen. Zwischen dem zerstörten Wald und der
Rückseite der Pension zog sich ein schmaler Weg entlang, auf dem
maximal ein Auto Platz hatte. Er endete in der nächsten Schlucht an
einer kleinen schiefen Scheune, um als Wanderweg den Berg weiter
hinauf zu führen.
    Johan überquerte nun diesen Weg und begann, den Berg hochzuklettern.
Das war sehr mühsam, und er musste sich immer wieder an Baumstümpfen
festhalten, damit er nicht abrutschte. Der Boden war ausgespült, und
immer wieder lösten sich kleine Steinchen, die auf den Weg
kullerten. An der ersten Zaunreihe blieb er stehen. Die Pfosten waren
provisorisch in der Erde befestigt. Als er an dem einen etwas
rüttelte, löste er sich fast aus seiner Verankerung. Johan ahnte,
dass es besser wäre, wenn ihn hier niemand erwischte. Mit einem
mulmigen Gefühl im Bauch kletterte er den Hang
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher