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Der Erdrutsch (German Edition)

Der Erdrutsch (German Edition)

Titel: Der Erdrutsch (German Edition)
Autoren: Stephan Martin Meyer
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Wanderschuhe an – wenn
die nicht mehr passen, dann müssen wir morgen noch in die Stadt.“
    Johan nahm sich die Jacke und ging in den Flur. Hier zog er die
Schuhe an, nahm sich seinen Schlüssel und ging aus der Wohnung. Die
Tür flog knallend hinter ihm ins Schloss. Ehe einer seiner Eltern
ihm nachkommen konnte, war er die Treppe runter gerannt, hatte sein
Fahrrad aufgeschlossen, das vor dem Haus stand, und war
davongefahren.
    Er saß am Flussufer und blickte auf die andere Seite. Langsam zog
ein Lastkahn an ihm vorbei, hochbeladen mit Kohle. Es hatte aufgehört
zu regnen, aber aus den Kanälen und Rohren schoss das Wasser in
großen Mengen in den Fluss. Dann brachen wieder Sonnenstrahlen durch
die Wolken. Die Straßen glitzerten. An einem Busch direkt neben sich
entdeckte er sprießende Knospen. Er war neidisch auf die anderen
Jungs in seiner Klasse. Die hatten fast alle eine Freundin. Was war
denn mit ihm los, dass er das nicht auch hatte? Johann verstand sich
nicht. Er brach einen Zweig des Busches neben sich ab, um zu Hause
nachschauen zu können, um welche Pflanze es sich handelte. Langsam
wandte er sich vom Wasser ab und ging zu seinem Rad zurück.

8. Kapitel
    Nach einer langen Autofahrt bogen sie endlich in die steile Straße
ein, die den Berg hinauf führte. Johan hatte während der Fahrt so
gut wie nicht gesprochen. Sie verließen das ausgedehnte Tal, durch
dessen tiefste Senke sich ein Fluss schlängelte. Apfel- und
Kirschbäume bedeckten die Ebene. Kleine Ortschaften mit weißen
Häusern aus Stein und niedrigen Dächern bevölkerten dazwischen das
Tal, Scheunen tauchten am Wegrand auf. Durch das geöffnete Fenster
strömte warme Luft in das Fahrzeug. Es hatte lange nicht geregnet.
Auf den Feldern wurde gearbeitet, Staub stieg auf. Die Luft roch nach
Apfelblüten. Rechts und links erhoben sich die gewaltigen
Bergketten; zum Teil waren sie dicht mit Wald bewachsen, immer wieder
hielten sich kleine Bergdörfer am Hang fest, und Weinberge waren in
allen Richtungen und Entfernungen auszumachen. Kleine helle Kirchen
stachen aus den Dörfern heraus. Zwischen den Ortschaften wanden sich
Straßen an den Hängen entlang. Hoch über allem thronten mit Schnee
bedeckten Bergspitzen.
    Die Straße, in die sie nun einbogen, war schwarz geteert und von
dunklen Tannen gesäumt. Sie konnten nur langsam hinauffahren, denn
alle paar hundert Meter bog sie in Serpentinen ab. Würde man den
Berg geradewegs von unten nach oben hochlaufen, so würde man diese
Straße mehrfach überqueren. Lautes Hupen riss Johan aus seinen
Gedanken. Ein sehr kurzer blauer Linienbus kam ihnen entgegen und
hupte vor jeder Kurve, denn er brauchte die gesamte Straßenbreite,
wenn er um die Ecke bog. Sie schwiegen, während sich der Bus an
ihnen vorbeiquälte. Johan hatte ein kribbeliges Gefühl im Bauch, er
hätte den Bus berühren können, wenn er die Hand aus dem Fenster
gehalten hätte. Er wusste, dass der Berg auf der anderen Seite des
Autos steil abfiel. Nach einem Moment konnten sie weiterfahren und
kamen an die Stelle, wo der Sessellift die Straße kreuzte. Zwei
ältere Männer saßen in den Sesseln, die einige Meter über der
Straße schwebten und plötzlich freute sich Johan darauf, in den
nächsten Tagen die Situation aus ihrer Perspektive betrachten zu
können.
    Einige Kurven weiter und viele Meter höher wurde der Wald offener
und zog sich schließlich ganz von der Straße zurück. Sie kamen zu
einer Ansammlung niedriger Häuser, zwischen denen sich Wiesen und
Weiden erstreckten. Kühe starrten das Auto an, grobe Holzzäune
begrenzten die Straße, wilde Krokusse bedeckten die Weiden.
    Eine letzte scharfe Rechtskurve, und sie fuhren an dem Gebäude der
Feuerwehr vorbei. Hier hörte die Teerdecke auf und der Weg bestand
nur noch aus festgefahrenem Schotter. Es ging noch ein Stück weiter
bergauf, an der kleinen Kirche vorbei und dann um einen kleinen Hang
herum. Da lag sie: Die Pension. Sie war so an den Berg gebaut, dass
das Erdgeschoss der Rückseite die zweite Etage der Vorderseite
bildete. Johan staunte darüber, wie an dieser Stelle überhaupt ein
Haus stehen konnte.
    Sie fuhren auf den kleinen Parkplatz, hielten an, stiegen aus. Sein
Vater streckte sich und blickte sich um. Er stutzte. Johan blickte in
die Richtung, die seinen Vater in den Bann zog und sah nun auch den
kahlen Hang oberhalb der Pension. Offensichtlich hatte es dort vor
einiger Zeit gebrannt, und es ragten nur noch ein paar verkohlte
Baumstämme in den Himmel.
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