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Der Erdrutsch (German Edition)

Der Erdrutsch (German Edition)

Titel: Der Erdrutsch (German Edition)
Autoren: Stephan Martin Meyer
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ich dir weh getan?“
    Mitleidig streckte er Ingo die Hand hin, der es aber vorzog, liegen
zu bleiben. Marcel zückte sein Handy und begann zu filmen. Paul
grinste kurz in die Kamera, packte Ingo dann vorne an der Jacke und
zog ihn nach oben. Kaum hatte der wieder Halt unter den Füßen, da
versetzte ihm Paul einen Schlag in den Magen. Ingo krümmte sich vor
Schmerz zusammen, sackte zu Boden und fiel dabei wieder über den
Zaun.
    „ Elender
Scheißer“, sagte Paul noch, trat mit Wucht gegen Ingos Tasche, die
am Boden lag. Dabei rutschte ein Handy heraus, das er aufhob.
„Schick. Das behalte ich.“ Er steckte das Gerät ein, bevor er
sich seinen Freunden zuwandte. „Lasst uns gehen.“ Einmal drehte
er sich noch zu Ingo um, der sich gerade wieder aufrappelte. „Und
erzähl niemandem davon. Sonst prügele ich dich beim nächsten Mal
grün und blau. Schwule Sau.“
    Er holte mit der Hand zum Schlag aus und Ingo zuckte zusammen. Paul
lachte. Sie rannten die Straße hinunter.

7. Kapitel
    Johan hatte sich in der Bibliothek mit Büchern für den Urlaub
eingedeckt. Schwer beladen mit der Büchertasche, dem Rucksack, den
er immer zur Schule mitnahm, und dem Zeichenblock stieg er in den
Bus, ging nach hinten durch und setzte sich auf eine Bank direkt ans
Fenster. Er fuhr zwar lieber mit dem Rad zur Schule, aber wenn er
viel tragen musste, dann nahm er den Bus. Lächelnd schaute er aus
dem Fenster und dachte über die kommenden zwei Wochen nach. Seine
Taschen lagen neben ihm auf dem Sitz, seine Jacke hatte er
ausgezogen. Die Sonne war herausgekommen, und es war warm geworden.
Zugleich ballte sich über der Stadt ein Gewitter zusammen.
    Zu spät registrierte er, dass Johannes mit einem Freund den Bus
enterte und zielsicher auf ihn zuging. Bevor Johan irgendetwas tun
konnte, hatte sich Johannes die Taschen geschnappt, auf den Boden
fallen lassen und sich neben ihn gesetzt.
    „ Ist
hier noch frei?“, fragte er scheinheilig. „Das ist Johan, der
kleine Freund von Nils“, sagte er zu seinem Freund, der
erwartungsvoll auf dem Gang stand. Zwei Frauen schauten sich kurz um,
drehten dann aber den Kopf weg.
    „ Gib
mir meine Taschen“, forderte ihn Johan auf.
    „ Oh,
er möchte seine Taschen haben. Dann hol sie dir doch. Ich bin doch
nicht dein Sklave.“
    Johan versuchte aufzustehen, wurde aber sofort von Johannes
zurückgestoßen. Der rutschte noch näher an Johan heran und sagte
zu seinem Freund: „Setz dich, hier ist noch genug Platz.“
    So saßen sie zu dritt auf der schmalen Bank. Der Himmel hatte sich
mehr und mehr bezogen, erste Windböen schüttelten die Bäume. Staub
wirbelte auf. Johan unternahm einen weiteren Versuch, aus der Bank
heraus zu kommen. Mittlerweile hatte Johannes auch dessen Jacke auf
den Boden des Busses geworfen. Der Zeichenblock lag zerknautscht
irgendwo unter seinen Füßen. Die ersten Regentropfen schlugen gegen
die Fensterscheibe. In langen Streifen liefen die Tropfen schräg an
ihr hinab, bevor sie sich am unteren Rand zu einem kleinen Bach
sammelten, der durch den Fahrtwind nach hinten getrieben wurde. Der
Bus fuhr in eine scharfe Kurve und drückte seine Passagiere auf die
linke Seite. Links, das war die Seite, auf der Johan saß. Er hatte
resigniert. Er kannte die Situation. Er wusste, dass alles, was er
jetzt tat, falsch war. Also tat er einfach nichts. Zwei Jungs seines
Alters wurden in der Kurve gegen ihn gedrückt. Mit aller Macht
pressten sie Johan in Richtung Fenster und klemmten ihn dadurch fest.
Mit zusammengekniffenem Mund starrte der weiter aus dem Fenster und
dachte daran, dass die beiden sicher bald aussteigen würden.
Irgendwann würde ihnen langweilig werden. Johannes war aber noch
nicht am Ende. Er verstärkte den Druck noch einmal und wurde dabei
von seinem Freund unterstützt. Keiner sprach ein Wort. Johan ballte
vor Wut die Fäuste. Johannes nahm sein Kaugummi aus dem Mund und
klebte es auf Johans Jeans.
    „ Du
bist da ganz schmutzig“, sagte er höhnisch. Er wandte sich an
seinen Freund: „Du musst wissen, dass Johan ein ganz ordentlicher
ist. Er macht immer alles richtig.“ Er drehte den Kopf wieder zur
anderen Seite. „Aber neulich war er gar nicht nett zu mir.“ Johan
kämpfte mit den Tränen. „Ach, gleich weint der Kleine. Bist du
traurig?“ Er streichelte Johan über den Kopf. „Schade, dass Nils
dir heute nicht hilft, oder?“
    Dann kam die lange Linkskurve, die am Friedhof und der kleinen
Kapelle vorbeiführte. Der Regen war stärker geworden, der Bus
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