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Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)

Titel: Edgar und die Schattenkatzen (German Edition)
Autoren: Marliese Arold
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    Es war tiefe Nacht.
    Mister Monty Silver saß in seinem Lehnstuhl. Er fühlte sich unbehaglich. Sein Gesprächspartner, dessen Gesicht er nicht sehen konnte, zog es vor zu stehen, obwohl Mister Silver ihm mehrfach einen Platz angeboten hatte. Das Kaminfeuer flackerte und warf gespenstische Schatten.
    »Nun, Sie haben mich gerufen. Was kann ich für Sie tun?«, fragte der hochgewachsene Fremde mit leicht näselnder Stimme. Er fing an, ungeduldig hin und her zu gehen, dabei zog er den linken Fuß ein wenig nach. Der Holzboden knarrte bei jedem seiner Schritte.
    »Wie Sie sich vielleicht denken können, dreht es sich um den Vertrag, den ich mit Ihnen vor ein paar Jahren geschlossen habe«, erwiderte Mister Silver stockend. »Ich hätte da gerne ein paar Änderungen und Ergänzungen.«
    »Ich nenne unseren Vertrag einen Pakt und Änderungen sind nicht üblich.«
    Monty Silver drehte nervös am Knauf seines Spazierstocks. »Aber Sie haben doch damals gesagt, dass ich nach ein paar Jahren … vielleicht …«
    »Der langen Rede kurzer Sinn: Sie wünschen also Ihr Eigentum zurück, das Sie mir vor sieben Jahren übertragen haben, als Sie unheilbar krank waren.«
    »Genau so ist es.« Monty Silver sah furchtsam zu seinem Besucher auf. Seit er da war, schien die Temperatur im Salon um mehrere Grade gefallen zu sein.
    »Heute sind Sie gesund, so, wie ich es Ihnen versprochen habe. Ich habe den Teil unseres … Vertrags erfüllt. Und jetzt fordern Sie Ihren Teil zurück. Was bieten Sie mir als Ausgleich an?« Der Tonfall des Fremden klang ironisch. Er blieb neben dem Stuhl stehen und legte seine Hand auf die Lehne. Seine Finger waren lang, mit spitz zugeschliffenen Nägeln.
    Wie Klauen, fuhr es Mister Silver durch den Kopf. Er räusperte sich, bevor er sprach.
    »Was verlangen Sie denn?«
    »Beschaffen Sie mir 999 Menschenseelen, dann gebe ich Ihnen das zurück, was Sie mir überschrieben haben.«
    Mister Silvers Herzschlag setzte für einen Moment aus. Was für eine unverschämte Forderung! Andererseits musste er froh sein, dass sich sein Vertragspartner überhaupt auf einen Handel einließ.
    »999 Seelen? Das erscheint mir eine sehr große Anzahl …«
    »Ist Ihre Seele das nicht wert?«
    »Doch, doch, gewiss.« Monty Silver atmete schwer. »Aber wie soll ich das bewerkstelligen?«
    »Ich bin sicher, dass Ihnen etwas einfallen wird. Nehmen Sie sich ein paar Helfer! – Und nun entschuldigen Sie mich bitte, ich habe noch einen anderen Termin.«
    »Aber …«
    Der Fremde verschwand vor Mister Silvers Augen. Er löste sich einfach in Nichts auf. Nur ein leichter Geruch nach Schwefel blieb im Salon zurück.

 
     
     
     
     
     
    E dgar, der junge schwarze Kater, erwachte und hob den Kopf. Seine bernsteinfarbenen Augen durchdrangen die Dunkelheit.
    Es war kalt geworden im Zimmer, das Feuer im Ofen schon lange ausgegangen. An den Fensterscheiben wuchsen allmählich Eisblumen empor. Der Schein der Gaslaterne drang in die gute Stube der kleinen Londoner Wohnung, in der die alte Miss Emma Sallow bereits seit vielen Jahren wohnte.
    Frierend kuschelte sich Edgar tiefer in ihren Faltenrock. Auf Emmas Schoß war es sonst gemütlich warm, heute jedoch nicht. Und dass sie vergessen hatte, ihren Kater zu füttern, war auch ungewöhnlich.
    Edgars Hunger wurde langsam unerträglich. Er schloss die Augen und sah wenig später ein Tellerchen mit gebratener Leber vor sich. Daneben stand eine Schale mit zarten Hühnchenstücken. Voller Vorfreude leckte er sich sein kleines Maul. Doch gerade als er mit dem Essen beginnen wollte, hörte er, wie ein Schlüssel in die Tür gesteckt wurde. Er schreckte hoch, mit einem Mal hellwach, und spitzte die Ohren.
    Zwei Fremde betraten die Wohnung, ein Mann und eine Frau. Edgar hatte sie noch nie gesehen, aber er wusste, dass sie nebenan lebten. Er erkannte sie an ihren Stimmen – oft genug hatte er durch die dünne Wand gehört, wie sie miteinander stritten.
    »Irgendwas stimmt nicht. Ich habe Emma schon seit zwei Tagen nicht mehr gesehen.« Das war die Frau.
    »Aber trotzdem … so einfach in ihre Wohnung … das geht doch nicht …«, wandte der Mann ein.
    »Wozu hat sie mir dann einen Schlüssel gegeben, du Dummkopf? Ich habe Emma versprochen, nach ihr zu schauen, wenn sie mal krank ist …«
    Die Tür zur guten Stube ging auf, und eine hagere Frau schob ihre spitze Nase in den Raum. Ihre lebhaften Augen huschten überall umher.
    »AchdulieberGott! Ich fürchte, wir
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