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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer
Autoren: Daniel Silva
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verkaufte. Bei jedem Gemälde, das die Wand seines exquisiten Ausstellungsraums verließ, versank Isherwood in tiefe Depressione n. Eine Folge dieser Veranlagung war, daß er jetzt auf einem Lager mit toter Ware, wie die Branche sie euphemistisch nannte, von apokalyptischen Ausmaßen saß - Gemälde, für die kein Käufer jemals einen fairen Preis zahlen würde. Unverkäufliche Bilder. Verbrannt, wie man in der Duke Street sagte. Wäre Isherwood gedrängt worden, diesen scheinbar unerklärlichen Mangel an Geschäftstüchtigkeit zu erklären, hätte er seinen Vater erwähnen können, obwohl er es sich zum Prinzip gemacht hatte, nie - und ich meine nie, Schätzchen - über seinen Vater zu sprechen.
    Momentan war er obenauf. Flüssig. Sehr gut bei Kasse.
    Genauer gesagt lagen auf seinem Konto bei der Barclays Bank eine Million Pfund, die er einem venezianischen Maler namens Francesco Vecellio und dem mürrisch dreinblickenden Restaurator verdankte, der jetzt übers nasse Ziegelpflaster des Mason's Yards kam.
    Isherwood zog seinen Regenmantel an. Seine englischen Umgangsformen und seine ausschließlich englische Garderobe tarnten die Tatsache, daß er eigentlich - zumindest formaljuristisch - gar kein Engländer war. Nach Nationalität und Reisepaß Engländer, ja, aber von Geburt Deutscher, in Frankreich aufgewachsen und dem Glauben nach Jude. Nur wenige Leute wußten, daß sein Nachname lediglich eine phonetische Version des Originals war. Noch weniger Leute wußten, daß er einem bestimmten rundschädeligen Gentleman von einer bestimmten Geheimorganisation aus Tel Aviv im Lauf der Jahre immer wieder Gefälligkeiten erwiesen hatte. Rudolf Heller war der Name, den dieser Gentleman benützte, wenn er Isherwood in seiner Galerie aufsuchte. Das war ein geborgter Name, ebenso ausgeliehen wie der blaue Anzug und die guten Manieren des Gentlemans. Sein richtiger Name war Ari Schamron.
    »Im Leben hat man Entscheidungen zu treffen, nicht wahr?«
    hatte Schamron gesagt, als er Isherwood anwarb. »Man verrät weder das Land, das einen adoptiert hat, noch sein College oder sein Regiment, aber man sorgt für sein eigen Fleisch und Blut, für sein Volk, damit kein weiterer österreichischer Verrückter oder der Schlächter von Bagdad versuchen kann, aus uns allen Seife zu machen, nicht wahr, Julian?«

    »Hört, hört, Herr Heller.«
    »Wir zahlen Ihnen nicht ein Pfund. Ihr Name taucht nie in unseren Akten auf. Sie erweisen mir gelegentlich Gefälligkeiten.
    Sehr spezifische Gefälligkeiten für einen sehr speziellen Agenten.«
    »Super. Wundervoll. Wo kann ich mich dafür einschreiben?
    Was für Gefälligkeiten? Nichts Anrüchiges, hoffe ich.«
    »Sagen wir mal, ich müßte ihn nach Prag schicken. Oder nach Oslo. Oder nach Berlin, Gott bewahre. Dann möchte ich, daß Sie legitime Arbeit für ihn finden. Eine Restaurierung. Ein Gutachten. Eine Beratung. Irgendwas, das seiner Aufenthalts-dauer entspricht.«
    »Kein Problem, Herr Heller. Hat Ihr Agent übrigens auch einen Namen?«
    Dieser Agent hat viele Namen, dachte Isherwood, während er beobachtete, wie der Mann den Innenhof überquerte. Sein richtiger Name war Gabriel Allon, und welche Geheimaufträge er für Schamron durchführte, verriet seine vorsichtige Art der Annäherung. Wie er über seine Schulter sah, als er den Durchgang von der Duke Street her benützte. Wie er trotz des starken Regens nicht nur eine, sondern zwei Runden durch den alten Innenhof drehte, bevor er sich der Sicherheitstür der Galerie näherte und auf Isherwoods Klingelknopf drückte.
    Armer Gabriel. Weltweit einer der drei oder vier besten Leute seines Fachs, aber er kann nicht einmal geradeaus gehen. Und weshalb nicht? Nach dem, was seiner Frau und seinem Sohn in Wien zugestoßen war… Kein Mann wäre danach wieder derselbe gewesen.
    Er war wider Erwarten nur durchschnittlich groß, und sein geschmeidiger Gang schien ihn mühelos über die Duke Street in das Restaurant Green's zu tragen, in dem Isherwood einen Tisch zum Lunch hatte reservieren lassen. Als sie Platz nahmen, glitt sein Blick wie ein Suchscheinwerfer durch den Raum. Seine Augen waren mandelförmig, unnatürlich grün und sehr beweglich. Die Wangenknochen waren hoch und breit, die Lippen waren dunkel, und die spitzkantige Nase sah wie aus Holz geschnitzt aus. Ein zeitloses Gesicht, dachte Isherwood. Es hätte ein Gesicht vom Umschlag eines Hochglanzmagazins für Männermode oder ein Gesicht auf einem düsteren Rembrandtporträt sein
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