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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer
Autoren: Daniel Silva
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Oliver?« fragte Isherwood.
    Unter dem Tisch stellte Gabriel seinen Fuß auf Isherwoods Zeh und trat fest darauf.
    »Kann gerade nicht, mein Lieber. Das langbeinige Wesen in der Nische dort drüben hat versprochen, mir Schmuddelkram ins Ohr zu flüstern, wenn ich ein weiteres Glas Champagner springen lasse.«
    »Gott sei Dank!« stieß Isherwood mit zusammengebissenen Zähnen hervor.
    Oliver Dimbleby watschelte davon. Gabriel nahm seinen Fuß von Isherwoods Zeh.
    »Soviel zu deinen Geheimnissen.«
    »Aasgeier«, wiederholte Isherwood. »Im Augenblick bin ich obenauf, aber sobald ich ins Stolpern gerate, kreisen sie wieder über mir und warten auf mein Ende, um meine Knochen abpicken zu können.«
    »Vielleicht solltest du dein Geld dieses Mal etwas besser zusammenhalten.«
    »Ich bin ein hoffnungsloser Fall, fürchte ich. Tatsächlich…«
    »O Gott!«
    »… reise ich nächste Woche nach Amsterdam, um mir ein Gemälde anzusehen. Es ist das Mittelstück eines Triptychons, Künstler unbekannt, aber ich habe wieder mal eine meiner Ahnungen. Ich vermute, daß es aus dem Atelier von Rogier van der Weyden stammt. Vielleicht bin ich sogar bereit, darauf viel Geld zu setzen.«
    »Van der Weydens sind berüchtigt schwer zu verifizieren. Es gibt nur eine Handvoll Werke, die ihm zugeschrieben werden, und er hat nie eines datiert oder signiert.«
    »Stammt das Bild aus seinem Atelier, trägt es seine Handschrift. Und wenn irgend jemand sie entdecken kann, bist du dieser Mann.«
    »Wenn du willst, sehe ich mir das Gemälde gern an.«
    »Woran arbeitest du im Augenblick?«
    »Ich bin gerade mit einem Modigliani fertig.«
    »Ich habe einen Job für dich.«
    »Was für eine Art Job?«
    »Vor ein paar Tagen hat mich ein Anwalt angerufen. Er hat gesagt, einer seiner Mandanten besitze ein Gemälde, das

    gereinigt werden müsse. Er hat gesagt, sein Mandant wünsche ausdrücklich dich und werde deine Arbeit großzügig honorieren.«
    »Wie heißt der Mandant?«
    »Hat er nicht gesagt.«
    »Um welches Gemälde handelt es sich?«
    »Hat er nicht gesagt.«
    »Wie soll die Sache also ablaufen?«
    »Du findest dich in der Villa ein, du arbeitest an dem Gemälde. Der Besitzer zahlt dir ein gutes Honorar und übernimmt außerdem deine Hotel-und Reisekosten.«
    »Wo?«
    »Zürich.«
    Hinter Gabriels grünen Augen blitzte irgend etwas auf: eine Vision, eine Erinnerung. Isherwood durchsuchte angestrengt die Ablagefächer seines weit weniger zuverlässigen Gedächtnisses.
    Habe ich ihn jemals in Herrn Hellers Auftrag nach Zürich geschickt?
    »Ist Zürich ein Problem?«
    »Nein, Zürich ist in Ordnung. Wieviel bekäme ich?«
    »Das Doppelte von dem, was ich dir gerade gegeben habe - wenn du sofort anfängst.«
    »Gib mir die Adresse.«
    Gabriel blieb keine Zeit, nach Cornwall zurückzufahren, um seine Sachen zu holen, deshalb ging er nach dem Lunch einkaufen. In der Oxford Street erstand er reichlich Kleidung zum Wechseln und einen kleinen Lederkoffer. Dann ging er zur Great Russell Street hinüber und besuchte das altehrwürdige Geschäft für Künstlerbedarf der Firma L. Cornelissen & Son.
    Dort half ihm ein flachsblonder Engel namens Penelope, seinen Grundbedarf an Farben, Pinseln und Lösungsmitteln zusammenzustellen. Sie kannte ihn unter seinem angenommenen Namen, und er flirtete mit dem verblassenden Akzent eines italienischen Zuwanderers schamlos mit ihr. Sie packte seine Einkäufe in braunes Packpapier, das sie mit Bindfaden verschnürte. Er küßte sie auf die Wange. Ihr Haar duftete nach Kakao und Räucherstäbchen.
    Gabriel wußte zuviel über Terrorismus und lückenhafte Sicherheitsmaßnahmen, um sich in Flugzeugen wohl zu fühlen, deshalb fuhr er mit der U-Bahn zum Bahnhof Waterloo und erreichte den am Spätnachmittag verkehrenden Eurostar nach Paris. Auf dem Gare de l'Est stieg er in den Nachtzug nach Zürich um, und am nächsten Morgen schlenderte er dort gegen halb neun die in sanfter Biegung verlaufende Bahnhofstraße entlang.
    Wie elegant Zürich seinen Reichtum verbirgt, dachte er. Ein großer Teil der Gold-und Silberschätze der Welt lagerten in Banktresoren unter seinen Füßen, aber hier gab es keine gräßlichen Bürotürme, die das Bankenviertel kennzeichneten, und keine Ehrenmale des Kapitalismus. Nur Understatement, Diskretion und Irreführung. Eine verschmähte Frau, die schamvoll ihren Blick senkt. Die Schweiz.
    Er erreichte den Paradeplatz. Auf einer Seite des Platzes stand die Hauptverwaltung der Credit Suisse, auf
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