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Der Engländer

Der Engländer

Titel: Der Engländer
Autoren: Daniel Silva
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würde aufatmen, wenn er dieses Haus endlich verlassen durfte. Er hatte die Mätzchen Unserer Lieben Frau so gründlich satt, wie Carlos es vorausgesehen hatte.
    Unsere Liebe Frau brauchte einen unendlich geduldigen Mann, der über sie wachte. Unsere Liebe Frau brauchte den Restaurator.
    Er beobachtete, wie Gabriel über die Einfahrt ging und in der Villa verschwand. Unsere Liebe Frau spielte oben in ihrem Übungsraum. Der Restaurator hatte bestimmt vor, sie dabei zu unterbrechen. Carlos überlegte einen Augenblick lang, ob er zur Terrasse hinauflaufen sollte, um ihn daran zu hindern, aber dann ließ er es doch lieber. Der Restaurator mußte seine Lektion lernen, und manche Lektionen prägten sich am besten durch schlechte Erfahrungen ein.
    Deshalb legte er die Rebenschere weg und zog einen Flachmann mit bagaòo aus der Hüfttasche. Dann kauerte er zwischen den Reben nieder, zündete sich eine Zigarette an, beobachtete, wie die Sonne sich dem Meeresspiegel näherte, und wartete darauf, daß die Show beginnen würde.
    Geigenklänge erfüllten die Villa, als Gabriel die Treppe zu ihrem Übungsraum hinaufstieg. Er trat ein, ohne anzuklopfen.

    Sie spielte noch ein paar Takte, dann hörte sie abrupt auf und keifte los, ohne sich umzudrehen: »Mist, was fällt Ihnen ein, Rami? Verdammt noch mal, wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, daß…«
    Und dann sah sie, daß der Störenfried nicht Rami, sondern Gabriel war. Sie brachte den Mund nicht mehr zu und ließ einen Augenblick lang sogar ihre Guarneri los. Gabriel war mit einem Satz bei ihr und fing die Violine aus der Luft, bevor sie auf den Boden schlagen konnte. Anna schlang ihm die Arme um den Hals.
    »Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen, Gabriel. Was machst du hier?«
    »Ich bin deiner Leibwache zugeteilt worden.«
    »Gott sei Dank! Rami und ich hätten uns irgendwann gegenseitig umgebracht.«
    »Ja, das habe ich gehört.«
    »Wie viele Leute gehören zu dem neuen Team?«
    »Diese Entscheidung wollte ich dir überlassen.«
    »Ich denke, ein Mann wäre genug, wenn's dir recht ist.«
    »Das wäre gut«, sagte er. »Das wäre perfekt.«

51 - NIDWALDEN, SCHWEIZ
    Otto Gessler trieb seinen Körper mit gleichmäßigen Schwimmzügen durchs laue Wasser, glitt in ewiger Dunkelheit dahin. An diesem Tag war er gut geschwommen, zwei Bahnen mehr als gewöhnlich - insgesamt hundertfünfzig Meter, eine stolze Leistung für einen Mann seines Alters. Wegen seiner Blindheit mußte er jeden Schwimmzug sorgfältig mitzählen, damit er am Bahnende nicht mit dem Kopf voraus an den Beckenrand knallte. Noch vor nicht allzu langer Zeit hatte er eine Bahnlänge mit fünfundzwanzig kraftvollen Zügen schwimmen können. Jetzt brauchte er vierzig dafür.
    Er näherte sich dem Ende seiner letzten Bahn:
    siebenunddreißig… achtunddreißig… neununddreißig… Er streckte eine Hand aus, griff nach dem Beckenrand und erwartete, die glasharte Glätte italienischen Marmors zu fühlen.
    Statt dessen packte ihn jemand am Arm und riß ihn aus dem Wasser. Er hing einen Augenblick hilflos da, zappelte wie ein Fisch am Haken - sein Leib verwundbar, seine Rippen gespreizt.
    Und dann stieß das Messer in sein Herz. Brennende Schmerzen durchzuckten ihn. Danach konnte er für Bruchteile einer Sekunde ein aufblitzendes grellweißes Licht sehen, irgendwo in weiter Ferne. Die Hand ließ ihn los, und er fiel in sein laues Wasser zurück. Ins ewige Dunkel.

NACHWORT
     
    Im Zweiten Weltkrieg beschlagnahmte die deutsche Besatzungsmacht in Frankreich Hunderttausende von Gemälden, Skulpturen, Gobelins und anderen Kunstwerken.
    Zehntausende dieser geraubten Werke sind bis heute verschollen. Im Jahr 1996 setzte der Schweizer Nationalrat eine sogenannte Unabhängige Expertenkommission ein und erteilte ihr den Auftrag, die Rolle der Schweiz im Zweiten Weltkrieg zu untersuchen. In ihrem Abschlußbericht, der im August 2001 veröffentlicht wurde, räumte die Kommission ein, die Schweiz sei ein »Umschlagplatz« für Raubkunst gewesen und während des Kriegs seien geraubte Gemälde in beträchtlicher Zahl in die Schweiz gelangt. Wie viele dieser Werke noch heute in den Tresoren von Schweizer Banken lagern oder in Schweizer Privathäusern hängen, weiß niemand.

DANK
    Dies ist der zweite Roman, in dem Gabriel Allon als eine der Hauptfiguren auftritt, und wie sein Vorgänger hätte er ohne David Bulls Hilfe und Unterstützung nicht geschrieben werden können. Im Gegensatz zu dem fiktiven Gabriel ist David Bull
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