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Der Engel von Santa Marguerita

Der Engel von Santa Marguerita

Titel: Der Engel von Santa Marguerita
Autoren: Alexander Borell
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stutzte. „Ach so, die Analysen. — Tja, ich glaube, Lynn erwähnte so etwas. Seit wann ist er selbst denn da?“
    „Oh, er kam schon als Student her; da war — warten Sie mal — ja, da war er etwa neunzehn oder zwanzig. Und dann ermöglichte ihm der Doktor, weiterzustudieren; und als Mr. Collins auch Doktor war, wurde er sein erster Assistent. Und jetzt schmeißt er doch mit Mr. Stephen den ganzen Laden, seit der Chef tot ist.“
    Es war Viertel nach zehn geworden. Ich unterbrach das aufschlußreiche Gespräch, in der Überzeugung, diese Quelle jederzeit nach Bedarf anzapfen zu können, und war entschlossen, den Dardingtons meinen Besuch zu machen.
    Ich ging zum Haus der Dardingtons hinüber.
    Unterwegs kam mir ein kleines, verhutzeltes Männchen entgegen, das aussah wie eine bewegliche Vogelscheuche, und das, im Zickzack gehend, Selbstgespräche hielt.
    „Nanu“, sagte er und blinzelte mich aus kleinen, blutunterlaufenen Säuferaugen an. „Nanu?“
    „Selber nanu!“ erwiderte ich. Vor lauter Alkoholdunst wäre es gefährlich gewesen, in seiner Nähe eine Zigarette anzuzünden. „Sie sind doch nicht Mr. Arillaga?“
    „Na, das bin ich schon seit fünfundfünfzig Jahren, wenn’s Ihnen nichts ausmacht, Sir. Die Ställe sind in Ordnung, und da hab’ ich nur schnell mit Mr. Dardington einen gekippt. Man ‘nen ganz Kleinen, Harmlosen.“
    Ich klopfte ihm auf die Schulter und ging weiter. Es interessierte mich zwar sehr, welcher von den Dardington-Boys mit diesem alten Kerl da soff. Aber so unvermittelt konnte ich ihn nicht danach fragen.
    Die Sommertür des Hauses, die nur aus gedrechselten Stäben bestand, war offen. Da ich weder eine Klingel noch sonst etwas fand, womit ich mich bemerkbar machen konnte, ging ich einfach hinein. Ich stand in einer dämmrigen, sehr großen Halle. An der linken Seite war ein gemauerter Kamin ohne Holz, rechts davon befand sich eine mindestens acht Fuß lange Truhe, über der ein riesiger alter venezianischer Spiegel hing.
    Vor dem Kamin stand ein runder Tisch mit einer Intarsienplatte und um ihn herum vier große Sessel mit hohen Lehnen, die mit Gobelinstoff bezogen waren, der an einigen Stellen schon reichlich abgescheuert war. Das Ganze roch nach Geld, das für etwas anderes ausgegeben wurde.
    Ich setzte mich in einen der Sessel, so, daß ich sowohl die Tür, als auch die Treppe im Auge behalten konnte, die hinten von der Halle nach oben ging.
    Als ich die Zigarette zu Ende geraucht hatte, hörte ich die Treppe knarren, und zwei Beine kamen herunter. Es waren lange, sehr schlanke und gutgeformte Mädchenbeine. Sie waren so, daß man sie gern eine Stunde lang die Treppe herunterkommen gesehen hätte. Sie waren ohne Strümpfe, und an den schmalen Füßen sah ich weiße Segeltuchschuhe.
    Über den Beinen kam ein weißes Röckchen, ein sehr kurzes, ziemlich weites weißes Röckchen, bei dem man sich überlegte, welche Farbe der Badeanzug darunter haben könnte. Und dann kam eine dünne, weiße Nylonbluse, weit offen, mit allem drin. Der zweiteilige Badeanzug war ebenfalls weiß.
    Ihre großen, etwas schräg geschnittenen Augen waren sehr blau. Überhaupt war alles an ihr ,sehr’. Ihr Haar sehr kurz und sehr schwarz, ihre Nase sehr klein, ihr Mund sehr voll und sehr rot; und sie kam sehr langsam die Treppe herunter und musterte mich sehr ungeniert.
    Ich stand auf und ging ihr zwei Schritte entgegen.
    „Ich heiße Chester Mannings“, sagte ich. „Mr. Collins hat mich gestern eingeladen, an einer Motorbootparty teilzunehmen. Leider ist er noch nicht da; doch mir wurde gesagt, er würde jeden Augenblick kommen.“
    Sie machte ein sehr gleichgültiges Gesicht und sagte: „Na schön, dann warten wir eben. Eine Affenhitze ist das heute. Wollen wir etwas trinken?“
    Ohne meine Antwort abzuwarten, drückte sie auf einen Knopf, der sich unter dem Lichtschalter an einer der Türen befand. Gleich darauf trat ein Diener in blauweiß gestreifter Weste und schwarzen Hosen ein. Sie murmelte etwas, was ich nicht verstand. Der Diener sagte: „Sehr wohl, Miß Andrea“, und verschwand.
    Sie trat auf mich zu und machte eine Handbewegung.
    „Setzen Sie sich doch. Ich bin Andy Dardington. Sind Sie mit Mr. Collins befreundet?“
    „O ja“, sagte ich. „Wir waren zusammen in Boston auf der Universität.“
    „Dann sind Sie womöglich auch Arzt?“
    Sie hatte die Augenbrauen hochgezogen und lehnte sich quer, mit angezogenen Beinen, in einen Sessel mir gegenüber. Der Badeanzug war
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