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Der Engel von Santa Marguerita

Der Engel von Santa Marguerita

Titel: Der Engel von Santa Marguerita
Autoren: Alexander Borell
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wirklich weiß.
    „Nein“, sagte ich, „dazu hat’s nicht mehr gelangt. Ich — ich treibe mich so in der Welt herum und — und schreibe Bücher, wenn mir was einfällt. Meistens fällt mir leider nichts ein. Ich traf Lynn gestern zufällig in Culver City.“
    „Ich mag keine Ärzte“, sagte sie, „obwohl Paps einer war und Stephen auch einer ist. Ärzte sind schrecklich langweilige Menschen.“
    Ich hätte sie gerne gefragt, woher sie ihre speziellen profunden Kenntnisse habe, aber da brachte der Diener ein Tablett mit Gin, Zitronensaft, Eis, Zucker und Sodawasser.
    Ich mixte ihr einen Ginfizz, auf ihren Wunsch mit viel Gin und Zucker und plauderte drauf los: „Lynn erzählte mir, Ihr Herr Vater sei Antialkoholiker gewesen.“
    Sie lachte.
    „Wir mußten immer unser Zeug verstecken“, entgegnete sie. „Er wurde schrecklich böse, wenn er uns erwischte. Und dann mußten wir rohe Milch trinken, damit man’s nicht riecht.“ Sie machte plötzlich ein sehr trauriges Gesicht und fuhr sehr leise fort: „Aber sonst war Daddy ein prachtvoller Kerl.“
    Sie schwieg eine Weile, und ich dachte darüber nach, wie schön es wäre, mit diesem appetitlichen Fratz ohne die Familie Motorboot zu fahren, und ich dachte weiter darüber nach, wo dieses Motorboot wohl stecken mochte.
    „Um zehn Uhr wollten wir wegfahren. Er ist doch sonst die Pünktlichkeit selbst. Mama wird sicher schon ungeduldig sein. Wir wollten nach Catalina hinüber und mit den Glasbooten fahren. Aber wir könnten schon mal vorausfahren und baden, was?“
    Ich schüttete den Gin hinein, den ich nur pro forma mit Zitrone und Wasser gemixt hatte, und sprang auf. Weiß Gott, mir war im Augenblick nichts auf der Welt so wichtig, wie mit Andy Dardington baden zu fahren.
    „Sofort, ich hole nur noch rasch meinen Badeanzug.“
    „Ich warte draußen auf Sie!“ rief sie mir nach. Ich rannte davon.
    Als ich in meinem Zimmer war und die Badehose aus meinem Koffer riß, hörte ich draußen eine Sirene. Es war eine Polizeisirene, die beachtlich rasch näher kam.
    Ich konnte die Einfahrt zum Haus nicht sehen; aber ich hörte den Motor, und ich hörte die abgebremsten Räder auf dem Kies rutschen.
    Nun war also die Bombe explodiert. Ich fühlte mich absolut nicht mehr so wohl wie vor drei Minuten. Es war fünf Minuten nach elf Uhr.

4

    Ich hatte die leise Hoffnung, sie würden ihren Kram drüben erledigen und wieder abfahren, ohne mich. Aber diese Hoffnung war wirklich nur sehr leise. Vorerst aber, das wußte ich, würde ich noch Zeit haben.
    Ich ging ins Zimmer nebenan, das offenbar Lynn Collins gehörte. Es war sachlich, fast kahl eingerichtet. Eine billige Couch, ein billiger Tisch und zwei Sessel. Vor dem Fenster ein Büroschreibtisch mit einem Stoß schwarz eingebundener Bücher in Oktavformat. Die Überschriften waren sauber mit schwarzer Tusche geschrieben:

    „Alkoholtest 020 bis 060“
    „Alkoholtest 061 bis 100“.

    Und so ging es weiter bis dreihundert. Dann kam eines mit „Versuchen über die Verminderung der Ganglienzellen in der grauen Hirnrinde durch Alkoholeinwirkung“.
    Es waren lauter wissenschaftliche Aufzeichnungen, in einer schwer leserlichen Gelehrtenhandschrift gemacht. Ganz zu unterst lag ein „Labor=Tagebuch“. Ich blätterte ein wenig darin und fand unter dem 22. Mai eingetragen:

    „Bei Giftschrankkontrolle das Fehlen von etwa ½ Unze Zyankalium festgestellt, das bei letzter Kontrolle am 16. April noch vorhanden war.“

    Ich blätterte weiter und entdeckte eine leere Seite, auf der nur stand: 28. Juni, William R. Dardington gestorben.
    Ich ging durch die Verbindungstür zum Schlafzimmer. Auf seinem Nachttisch stand, in einem schmalen, silbernen Rahmen, ein Foto. Vermutlich war es Arlene Forjeon. Es war eine vergrößerte Amateuraufnahme und zeigte ein hübsches Mädchen in einem weißen Arztkittel. Ich fand noch einigen persönlichen Krimskrams. Aber das Ganze machte keineswegs den Eindruck, als habe Mr. Lynn Collins jemanden erschossen und dann mit dem Motorboot das Weite gesucht. Jedoch das konnte auch ein besonders schlau ausgedachter Trick sein. Vielleicht hatte er das ganze Theater mit mir nur inszeniert, um sozusagen für sein Verschwinden ein Alibi zu haben: man sollte glauben, er selber sei das Opfer eines Mordanschlages geworden. Aber was wollte dann die Polizei hier? Woher hatten die, so schnell schon, Wind davon bekommen? Nun, ich würde das noch früh genug erfahren.
    Ich kehrte in mein Zimmer zurück und lehnte
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