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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie
Autoren: Georg Brun
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wie vor lebte er versteckt in San Clemente und hatte es nicht gewagt, mit seinem Ordensgeneral in Verbindung zu treten. Die Stadt wurde zunehmend zu einem Hexenkessel, weil viele der Reichen und Mächtigen ihr Hab und Gut zusammentrugen und auf Karren und Schiffen hinausschafften, und die Römer, die bleiben mußten, lauschten gebannt auf die Nachrichten, welche man von den Kaiserlichen vernahm, die in der Toskana wüteten. In seiner Not versuchte der Papst, sich in die schützenden Hände des Vizekönigs zu begeben, und ein Botschafter schrieb: »Der Papst hat sich, man muß es sagen, den Kaiserlichen auf Gnade und Ungnade ergeben. Alle Welt staunt über solche Verfahrensweise; ohne Zweifel hat dies so der Wille Gottes angeordnet, um diese Kirche und ihren Regenten zu verderben.«
    Jakob mochte nicht glauben, daß Rom von fremden Truppen erobert werden könnte. Trotzdem befiel ihn eine gewisse Angst, und er nahm sich vor, die Stadt in den nächsten Tagen zu verlassen, ohne nochmals mit seinem Ordensgeneral zu sprechen. Nur eines blieb ihm noch zu tun, ehe er ging, und er bat Serena, ihm hierbei behilflich zu sein.
    »Was ist es für ein Wunsch«, fragte sie, nachdem er sie zu sich gebeten hatte, »den ich dir erfüllen kann?«
    »Geh bitte zu Claudia, und erkundige dich, wie es ihr geht. Beobachte genau, ob sie offen sprechen kann, und frage, ob sie in letzter Zeit behelligt wurde. Wenn du glaubst, sie kann frei sprechen, dann sage ihr, daß ich lebe, und bitte sie, mich zu treffen.«
    Serena lächelte; diesen Auftrag hatte sie längst erwartet.
    Auf ihr Pochen öffnete Marcina, doch als Serena Claudia zu sprechen begehrte, schüttelte sie den Kopf; ihre Herrin wohne nicht mehr in diesem Haus, sondern habe sich zurückgezogen, gab sie Auskunft und verriet selbst auf inständige Bitten hin nicht, wo Claudia zu finden sei. Da Serena sich keinesfalls mit dieser dürftigen Auskunft zufriedengeben wollte, ging sie in den Borgo hinüber, um sich mit Luigi zu beraten. Wenn jemand Claudias Aufenthaltsort herausbekommen konnte, dann der Sohn des Suppliken-Referendars.
    Dank ihrer schlichten Kleidung, der streng unter einer Haube versteckten Haare und des straff gebundenen Mieders gelangte Serena unbehelligt durch die Stadt und traf Luigi unweit der Kanzlei des Monsignore Trippa in einer Schreibstube an, wo er die Aufgaben erledigte, die er am Vormittag von seinem Lehrer erhalten hatte. Er war überrascht, Serena zu sehen, und zugleich beunruhigt wegen möglicher schlechter Nachrichten, doch als er hörte, daß lediglich Claudia zu suchen war, legte sich seine Besorgnis, und er versprach, sich umzuhören.
    Serena ging wieder hinaus auf die Gasse, die neben Trippas Haus unter dem Passetto hindurchführte, und wollte sich schon in Richtung Engelsburg wenden, als sie einen Schatten an der Ecke bemerkte und Trippas Stimme erkannte. Sie hielt den Atem an und drückte sich an die Hauswand. Der Monsignore flüsterte mit einem Unbekannten.
    »… müssen das Heft des Handelns wieder in die Hand nehmen«, hörte Serena den Fremden, dessen Stimme trotz des Flüstertons von schneidender Schärfe war.
    »Zum Glück sind wir den deutschen Dominikaner los«, erwiderte Trippa, und in seiner Rede lag eine seltsame Unterwürfigkeit.
    »Wer weiß, was der Tedesco noch alles angerichtet hätte, wenn ich nicht meine Leute geschickt hätte. Allerdings beunruhigt es mich, daß seine Leiche nirgends gefunden wurde.«
    »Sie wird ins Meer gespült worden sein.« Trippa beeilte sich, die Sorge seines Gegenübers zu zerstreuen.
    »Wir hatten Niederwasser; da schwemmt es die meisten bereits an der Tiberina an. Ich möchte, daß du Erkundigungen über den Verbleib der Leiche einholst. Und dann«, hier senkte der Unbekannte seine Stimme zu einem Flüstern, »kümmere dich um Claudia. Sie will sich zur Ruhe setzen und hat eine Villa am Esquilino bezogen. Das ist nicht gut fürs Geschäft. Sage ihr, das Trauerjahr sei vorbei; sie müsse in die Fußstapfen ihrer Schwester treten, ansonsten …«
    Trippa flüsterte: »Cantarella?«
    Serena erschrak. Sie nahm all ihren Mut zusammen und eilte mit schnellen Schritten aus der Gasse. Sie wandte sich Richtung Engelsburg und versuchte, einen Blick auf den Mann zu werfen, mit dem sich der Monsignore unterhielt. Er war schmächtig und unscheinbar; sein blasses Gesicht wirkte müde, aber die wasserblauen Augen bewegten sich in aufmerksamer Unruhe hin und her.
    Kaum war Serena aus dem Blickfeld der beiden Geistlichen
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