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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie
Autoren: Georg Brun
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dicken Pferdedecken und Cesare mit einem Bader, der sich sofort an Jakob zu schaffen machte.

Strafgericht Gottes
    Die Stille um ihn ließ sich beinahe greifen, ganz im Gegensatz zu den schwebenden Klängen der Harfen und Schalmeien, die ihn eben noch durch die Lüfte getragen hatten. Weit weg war er gewesen und gar nicht von dieser Welt, in einem unendlichen Raum war er dahingesegelt. Er hatte Claudia gesehen, die wie ein heller, silbriger Schatten um ihn gewesen war und ihn mit ihren wunderbar blauen Augen angesehen hatte. Und vielleicht hatte er sogar in Gottes Antlitz geschaut. Jedenfalls war ihm alles ganz leicht vorgekommen, als würde alles um ihn nur aus Licht und Musik bestehen.
    Als Jakob die Augen aufschlug, wußte er nicht, wo er sich befand. Die Stille, die ihn anscheinend geweckt hatte, klang schmerzhaft in seinen Ohren. Es war dunkel um ihn herum; nur zu seinen Füßen zeichnete sich eine schmale Scharte ab, durch die in goldenen Linien Licht fiel. Er lag in einer winzigen Zelle, die kaum breiter war als die Pritsche. Die Wände waren mit kleinen Ziegeln gemauert, die flach aufeinander lagen, ganz anders als im Collegio Teutonico. Jakob versuchte sich zu erinnern, aber sein Gedächtnis blieb seltsam träge. Vorsichtig hob er den Arm an, zunächst den rechten, dann den linken; die Arme gehorchten, und er wollte sich aufrichten, doch als er sich mit dem Ellbogen abstützte, durchzuckte ihn ein solcher Schmerz, daß er zurückfiel und aufschrie. Plötzlich setzte sich ein Dämon auf seine Brust, und der Dämon hieß Angst, und Jakob spürte die beklemmende Kälte stärker als je zuvor und erinnerte sich an die dunkle Engelsbrücke und die aufspringenden Schatten und das schwarze Wasser. Die Angst schnürte ihm die Kehle zu, und er schrie noch einmal, nicht vor Schmerz, sondern um seine Angst loszuwerden. Da knarrte die Tür in ihren Angeln, und Serena trat an seine Seite.
    »Gott sei Dank«, rief sie. »Du bist endlich aufgewacht.« Mit einem weichen Tuch tupfte sie ihm den kalten Schweiß von der Stirn, nahm seine Hand und hielt sie. Jakob spürte, wie die Angst verschwand.
    Mehrere Wochen vergingen, bis sich Jakob von seiner tiefen Wunde erholt hatte, und als er das erste Mal einen Spaziergang auf den nahen Palatin unternahm, war es Mitte März geworden. Ein milder Frühling verwöhnte die Ewige Stadt, in der die Anspannung wuchs, weil die kaiserlichen Truppen inzwischen oberhalb von Florenz lagen und ebenso eine Bedrohung für Rom darstellten wie die Söldner des Vizekönigs Lannoy, die sich gemeinsam mit den Truppen der Colonna erneut bei Frosinone festgesetzt hatten. Das Unheil schien seinen Lauf zu nehmen, und der von Skrupeln und Furcht geplagte Papst verprellte mit seinem Wankelmut die letzten Freunde des Heiligen Stuhls.
    Jakob hörte den Geschichten aufmerksam zu, die Luigi ihm beinahe täglich zu berichten wußte. Sein Vater weihte ihn in die Geheimnisse der Politik ein, und zwar nicht mehr nur an weinseligen Abenden, sondern beim täglichen Abendessen, denn der Suppliken-Referendar Francesco Verrazano hatte sich zum Ende des Karnevals entschlossen, seinen Sohn anzuerkennen und in seinem Haus aufzuziehen. Luigi konnte sich den Sinneswandel seines Vaters nicht erklären, aber er genoß es, nun ein Zuhause zu haben, und er widmete sich den Studien in der Lateinschule so fleißig, daß sein Vater wirkliche Freude darüber empfand. Über alldem vergaß er aber seine Freunde nicht, und so kam es, daß er beinahe täglich in der kleinen Zelle in San Clemente vorbeikam und Jakob auf dem laufenden hielt. In dieser uralten Christenkirche, die bereits der ersten Gemeinde zu Rom gedient hatte, hatte Jakob Unterschlupf gefunden, nachdem ihn der Bader am Tiberufer notdürftig versorgt hatte. Monsignore Benedetto Baldi, der Pfarrer von San Clemente, gehörte nicht zu den Freunden der Kurie und sah es als seine Christenpflicht, einem Verfolgten Schutz zu gewähren. Deshalb konnte Jakob sich vor allen Nachstellungen einigermaßen sicher wähnen. Im Collegio Teutonico jedenfalls wäre er in großer Gefahr gewesen. Wenn die Mörder erfahren hätten, daß Jakob noch am Leben war, hätten sie vermutlich keinen Augenblick gezögert, einen erneuten Anschlag auf sein Leben vorzunehmen.
    Als Jakob seine Lage überdacht hatte, bat er Luigi, sich bei Nacht in seine Zelle am Camposanto zu schleichen und das Säckchen mit Garilliatis Gold zu holen. Luigi aber kehrte mit leeren Händen zurück. Er hatte das Versteck
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