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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie
Autoren: Georg Brun
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huschten die Schreiber, Kopisten und Registraturen in ihre Kanzleien, während die höheren Herren der Kurie, zumal die Bischöfe und Kardinäle, gemessen auf den Palast des Vatikans zu schritten, wenn sie nicht ohnehin mit der Kutsche fuhren.
    »Ob es klug war«, fuhr der General fort und setze sich Jakob gegenüber, »den Kanzler mit diversen Eigenheiten zu erzürnen, vermag ich nicht beurteilen; du wirst deine Gründe haben, und ich lege Wert darauf, daß sich der Gehorsam in erster Linie auf den Orden erstreckt und die Unterordnung unserer Gemeinschaft nicht auf die Kurie im allgemeinen, sondern auf den Heiligen Vater bezogen ist. Allerdings spricht der Kanzler oft mit des Papstes Stimme. – Kommst du, weil du nicht weißt, ob du einer Weisung des Kanzlers gehorchen sollst?«
    »Wir sind unserem Gewissen verpflichtet, Exzellenz, und legen es in die Hände Jesu Christi. Falls es eine Weisung des Kanzlers gibt, habe ich sie so gut befolgt, wie ich konnte. – Nein, ich möchte mir Dispens von Euch erbitten, Dispens von Rom. – Schickt mich zurück nach Bayern.«
    »Zunächst«, unterbrach der General Jakobs fahrige Rede, »beantworte mir noch einmal die Frage: Hast du inzwischen den Wunsch des Kanzlers erfüllt?«
    Jakob nickte und gab einen kurzen Bericht der Ereignisse.
    »Großartig«, lobte der General. »Ich werde dem Heiligen Vater nahebringen, daß er seine Rettung einem Dominikaner verdankt. – Nun erläutere mir, weshalb du Rom verlassen möchtest.«
    Wieder bemühte sich Jakob um eine knappe Darstellung seiner Position, doch hatte er den Eindruck, der General hörte nur noch halbherzig zu. Ziemlich rasch stand der Obere auf und gewährte den Dispens für den kommenden Sommer, wenn die Universität ihre Pforten schließe und die halbe Stadt sich in die Sabiner und Albaner Berge davonmache, um der Hitze zu entfliehen. Bis dahin werde er entscheiden, welche Verwendung für Jakob in Bayern vorgesehen werde; noch diese Woche schreibe er an den Herzog und den Provinzgeneral zu Augsburg. Doch nun solle sich Jakob mit weiterer kriminalistischer Ausforschung zurückhalten und in Ruhe seine Übungen an der Sapienza abhalten; Zurückhaltung sei vonnöten, um nicht in weitere politische Machenschaften verstrickt zu werden, denn zur Stunde sei die Kurie wie ein aufgescheuchtes Wespennest: Mancher werde schmerzhaft gestochen.
    Erleichtert lief Jakob nach der Audienz bei seinem Ordensgeneral hinüber zum Camposanto und legte sich in seiner Zelle auf die Pritsche; er schloß die Augen und vergegenwärtigte sich die Gesichter von Ottavio Farnese, Trippa und Ambrogio; die verbleibenden fünf Monate in der Ewigen Stadt würde er sich vor ihnen hüten müssen. Doch das bedrückte ihn nicht, vielmehr fühlte er in sich den Stolz darauf, daß er nicht klein beigegeben, sondern seine Überzeugung durchgesetzt hatte.
    Jakob suchte Trippas Kanzlei auf, um den Kopisten zu befragen. Silvio Lucini traf er in einer kleinen Kammer an, wo der Schreiber, tief über einen Tisch gebeugt, eine Urkunde abschrieb und über die Störung zunächst erfreut schien. Doch als Jakob die Sprache auf das Fest bei Garilliati brachte, verstummte Lucini und wandte sich mürrisch seiner Arbeit zu.
    »Ennea habe ich auch zum Reden gebracht«, drohte Jakob nach einer Weile des Schweigens. »Ich weiß nicht, ob du ihn gekannt hast. Er gab ein jämmerliches Bild ab, als er mit ausgekugelten Schultern unter der Decke hing.«
    »Mich foltert niemand«, knurrte Lucini und blickte von seiner Arbeit auf. »Was wollt Ihr wissen?«
    »Was für eine Aufgabe hattest du auf dem Fest des Garilliati?«
    Widerwillig antwortete der Schreiber, er habe die Listen überprüft, auf der die Gäste sowie die Lieferungen an Speisen und Getränke erfaßt waren.
    »Das war alles?«
    Lucini bejahte und wandte sich wieder seiner Arbeit zu, doch Jakob ließ sich noch nicht entmutigen.
    »Es ist eine trockene Luft in deiner Kammer«, bemerkte er. »Ich werde uns etwas zu trinken holen.« Jakob eilte zur Tür, doch Lucini erwiderte, ohne aufzublicken, er brauche nichts zu trinken, Jakob solle sich nicht bemühen, er, Lucini, trinke niemals Getränke, die ihm von anderen gebracht werden.
    »Woher dieses Mißtrauen?« fragte Jakob scheinbar ahnungslos.
    »Weil man in diesem Haus nie weiß, ob das Wasser bitter oder der Wein gallig ist«, erwiderte der Kopist und starrte Jakob an. Ihm dämmerte, daß er zu übereilt geantwortet hatte, aber irgend etwas trieb ihn weiterzureden.
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