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Der Engel Der Kurie

Titel: Der Engel Der Kurie
Autoren: Georg Brun
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Kanzlei und zuallererst ein Vertrauter des Vizekanzlers, dem die gesamte Kanzlei unterstand.
    »Der Kanzler selbst ist besorgt«, erklärte Trippa. »Er möchte die Taten aufklären lassen. Nichts wollen wir weniger als Unruhe bei den liederlichen Weibern; das brächte am Ende die Kurie aus dem Gleichgewicht.«
    »Ich bezweifle«, erwiderte Jakob mit fester Stimme, »daß die Kurie im Gleichgewicht ist. Da gibt es Parteigänger von Franz, dort Parteigänger von Karl, hier weinen einige dem frommen Hadrian nach, andere wünschen sich Clemens lebenslustiger und schwelgen in der Erinnerung an Leo und Alexander. Und durchaus nicht jeder ist mit den Medici glücklich.«
    »Der Vatikan ist ein Abbild der Welt und dient letztlich doch einem einzigen Ziel. Ihr Deutschen tut euch schwer mit Gegensätzen.«
    »Wir sprechen lieber mit einer Zunge.«
    Trippa lachte bitter. »Das möchte ich von euren Lutheranern hören! – Doch sei's drum«, er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Kardinal Ottavio Farnese sieht in den Hurenmorden eine Gefahr. Als der Kanzler des Papstes hat er mich deshalb beauftragt, dich für die Ermittlungen zu gewinnen.«
    »Warum ausgerechnet mich?«
    »Weil du dich als Helfer des Doktor Eck in Bayern bewährt hast, weil ihr Dominikaner die Herren der Inquisition seid und weil du dem Kanzler als vertrauenswürdig giltst.«
    Jakob wiegte bedächtig den Kopf und schwieg.
    »Wir müssen befürchten«, fuhr Trippa fort, »daß der Täter in den Reihen der Geistlichkeit zu finden ist. Die Nachforschungen müssen daher streng geheim vonstatten gehen, nicht einmal der Kanzler selbst darf von den näheren Umständen erfahren. Ich bin als dein Verbindungsmann eingesetzt, an den du dich wendest, wenn du etwas herausgefunden hast oder wenn du Unterstützung benötigst.«
    »Ich soll auf mich allein gestellt sein?« fragte Jakob ungläubig. »Ich halte mich erst seit eineinhalb Jahren in Rom auf und kenne kaum alle Kardinäle beim Namen. Wie soll ich da einem Verbrechen auf die Spur kommen?«
    »Dein Licht leuchtet hell unter dem Scheffel«, erwiderte Trippa. »Ich lasse Moncada, den Medicus, kommen, er soll die Leiche untersuchen. Du wirst dabeisein.«
    Jakob zuckte zusammen und fühlte beim bloßen Gedanken an die zerschundene Frauenleiche eine heftige Übelkeit in sich hochsteigen, aber er wußte, daß Trippa recht hatte; die Leiche mußte genau untersucht werden.
    »Er ist in hohem Maße vertrauenswürdig«, bemerkte der Monsignore und verließ den Raum.
    Sie standen zu dritt im Keller um die aufgebahrte Leiche, und Jakob beobachtete jeden Handgriff des Medicus. Der dunkelhäutige Spanier öffnete den Mund der Toten, betrachtete die Zähne, zog die Zunge vorsichtig heraus und murmelte bestätigend »Si, si«.
    »Kein Belag«, erläuterte Moncada, »das spricht für einen gepflegten Mund; wahrscheinlich schabt sie sich die Zunge.«
    Er tastete die Halsmuskeln und das Genick ab, schüttelte den Kopf, besah sich die Ohren, nickte, murmelte »Kein Schmalz« und überprüfte Finger und Fingernägel; sie waren makellos. Sorgfältig widmete er sich dann den blauen Flecken an Armen und Rücken, musterte die Striemen auf dem Po. Sein Gesicht verdüsterte sich, als er auf die kleinen Verletzungen deutete, die am Po zu sehen waren. Oberschenkel, Waden, Fersen, Fußsohlen nahm er ebenfalls in Augenschein, hieß Umberto dann die Leiche umdrehen und betrachtete lange den zerfleischten Busen.
    Jakob zwang sich, genau hinzusehen, und spürte Zorn in sich aufsteigen, Zorn auf den, der dies angerichtet hatte wie zum Hohn Gottes, der zur Freude aller die Schönheit schuf, die nun grausam zerstört war. Zugleich erkannte der Dominikaner, daß sie es hier nicht mit irgendeinem Mörder zu tun hatten; nein, Jakob wußte, er blickte auf das Werk des Bösen.
    Der Medicus spreizte die Beine des Opfers und starrte auf die offene Scham. Jakob bekreuzigte sich und schlug die Augen nieder; auch Trippa blickte verschämt zur Seite und räusperte sich, als der unkeusche Augenschein zu lange andauerte. Moncada ließ sich jedoch nicht beirren, sondern fuhr mit einem kleinen silbernen Löffel zwischen das geheime Fleisch und holte weißliche Flüssigkeit hervor.
    »Samen«, stellte er fest, »nicht älter als acht Stunden.« Er heftete seine Augen auf die unversehrte Brust. »Eine schöne Frau, siebzehn, achtzehn oder gar zwanzig Jahre alt; hat bereits einmal geboren und mindestens drei Monate gestillt.« Er ging zum Wasserschaff, das in der
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