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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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von der Oberfläche. »Wie du siehst, habe ich zu tun!«
    Der Junge, dem Augenschein nach dreizehn, höchstens vierzehn Jahre alt und von bemerkenswert bleicher Hautfarbe, verdrehte die Augen. Er strich sich eine Tolle schlohweißen Haars aus der Stirn und ließ seinen Blick hilfesuchend durch den dämmrigen Verkaufsraum schweifen.
    Anecdotians Fundus bot ein Sammelsurium von absonderlichen, zum Teil durchaus fragwürdigen Waren feil. Die Wände waren bis zur niedrigen Steindecke mit rustikalen Regalen zugestellt, und auf ihnen sowie etlichen frei im Raum stehenden Tischen und Vitrinen türmte sich das Angebot. Es gab Pülverchen in Tiegeln und Tinkturen in Fläschchen. Blecherne Dosen mit winzigen, akribisch beschrifteten Etiketten reihten sich neben gläserne Behältnisse, deren in gelblichem Alkohol dahindümpelndem Inhalt nur mit Mühe anzusehen war, ob er einst dem Pflanzen- oder dem Tierreich zuzurechnen gewesen war. In einer Ecke stapelte sich eine Auswahl von Dreifüßen, Kesseln und Podesten aus unterschiedlichen Materialien, in einer anderen baumelten Messgefäße, Löffel und ungewöhnlich geformte gläserne Karaffen und Kolben an gebogenen Wandhaken.
    Der Bereich jenseits des Kassentresens, ein kurzer Flur, der zu den privaten Räumlichkeiten des Inhabers führte, war zwei langen Bücherregalen vorbehalten. Das Tageslicht, das schwach und bernsteinfarben durch die zur Straße gelegenen Fenster fiel, reichte kaum bis hierher, weshalb zwei handliche Öllampen beiderseits der kleinen Bibliothek angebracht worden waren. Ihr flackernder Schein erhellte eine beeindruckende Sammlung armdicker Kompendien, teils in Leder oder Leinen gebunden, teils in Häute, deren Herkunft man als gesetzestreuer Bürger besser nicht hinterfragte. Wälzer im Quartformat ragten zwischen handlich kompakten Nachschlagewerken und Wörterbüchern über die Regalkanten hinaus. In den höheren Etagen, baulich einem Weinregal nachempfunden, lagerten aufgerollte Pergamente, Landkarten, Formeltabellen und uralt anmutende Walzen aus Hammo-Papyrus.
    Was es indes in dem weitläufigen Raum nicht gab, war jemand, der dem jugendlichen Kunden in seinem Ansinnen hätte zur Seite stehen können.
    »Ich rekapituliere«, hob der Knabe mit mühsamer Beherrschung erneut an. »Sie – ein Verkäufer thaumaturgischen Spezialbedarfs – weigern sich, mir thaumaturgischen Spezialbedarf auszuhändigen, für den ich bereit und willens bin, den verlangten Obolus zu entrichten?«
    Ein aufmerksamer Mensch hätte sich an diesem Punkt möglicherweise über die elaborierte Ausdrucksweise des Jungen gewundert oder über die kalte Wut in seinen Augen. Ein aufmerksamer Mensch hätte dabei vielleicht festgestellt, dass diese Augen keineswegs rot waren, wie es bei Albinos mit leichenblasser Haut und schlohweißem Haar zu erwarten war, sondern von einem eisigen Blau. Und dass eine fremdartige, von großer Lebensweisheit zeugende Intelligenz in ihnen glomm …
    Doch der Mann hinter dem Tresen war kein aufmerksamer Mensch.
    »Das hast du völlig richtig erkannt, bei Ubalthes«, schnaufte er, ohne sich umzudrehen. »Und nun tu uns beiden einen Gefallen und verpfeif dich, ja? Komm wieder, wenn du zwanzig Jahre älter bist und mindestens die dritte Stufe deiner thaumaturgischen Ausbildung erreicht hast! Falls du überhaupt versiert bist …«
    Der Knabe verzog keine Miene. Lediglich an seiner linken Schläfe begann jetzt eine bläulich schimmernde Ader unter der weißen Haut zu pochen.
    Tick.
    Tick.
    Tick.
    »Wo ist Meister Anecdotian, der mich vor kaum vier Zeniten noch an dieser Stelle bedient hat?«, fragte er gefährlich leise. »Ich verlange, ihn zu sprechen. Sofort!«
    Der Verkäufer hielt in der Bewegung inne, als habe ihm jemand einen Dolch in den Rücken gestoßen.
    »Mein gütiger Vater ist vor dreieinhalb Zeniten verstorben«, verkündete er tonlos. »Ein Unfall bei der Anlieferung einer Ladung Pyrolit. Der Lieferant hatte die Ware mit Schwarzpulver gestreckt. Als mein Vater die Güteklasse anhand eines winzigen Glutglobulus testen wollte …« Er verstummte mit einem erstickten Laut.
    »Das wusste ich nicht«, sagte der Junge leise. »Es tut mir leid. Ich kannte Meister Anecdotian seit über vierzig Jahren. Über Dekaden war ich Stammkunde bei ihm, habe ihm im Auftrag des IAIT Sammelbestellungen von zum Teil beträchtlichem Umfang zuge …«
    Mit einer Gewandtheit, die man seiner feisten Gestalt kaum zugetraut hätte, wirbelte Anecdotian junior herum.
    »Willst du
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