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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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einer gefühlten Ewigkeit – hatte er sich vor Trollen und Vampyren im Pfuhl gefürchtet, Kreaturen, die möglicherweise mehr Interesse an seinem Leben als an seinem Körper hegen könnten. Doch es waren stets nur Menschen zu ihm gekommen, Menschen, die nach Alkohol, Verbrechen und Scheitern stanken. Waiko kannte diesen Geruch nur zu gut.
    Er sah erneut zu der toten Ratte am Straßenrand und überlegte, ob er lieber einen anderen Standort aufsuchen sollte, vielleicht auf der breiten Hauptstraße. Aber dort war die Konkurrenz zu groß.
    Eibische Lustknaben waren erst vor wenigen Jahren in Mode gekommen. Was dazu geführt hatte, wusste Waiko nicht genau, aber es hatte fraglos mit dem unaufhaltsamen sozialen Abstieg zu tun, dem sein Volk seit über einem Zyklus unterworfen war. Nachdem sie all ihre Ländereien und Adelsprivilegien verloren hatten, waren letztlich auch seine Brüder und Schwestern darauf angewiesen, sich ihren Lebensunterhalt mit eigenen Händen zu verdienen. Oder mit eigenen Mündern. Oder was ihre Freier sonst verlangten.
    Und die Freier, sie kamen! Die unübersehbaren Relikte der einstigen elbischen Grazie, ihrer in unzähligen Liedern und Gedichten gerühmten Schönheit, Anmut und Weisheit waren exakt das, was die einsamen Schattenmenschen begehrten.
    In dieser Nacht schrie niemand in Foggats Pfuhl. Jedenfalls nicht vor Ekstase.
    Waikos erster Freier, rund fünf Jahre zuvor, war ein schweigsamer Mann mit rotem Haar und blasser Haut gewesen, ungesund und alkoholkrank, aber reich, dessen Atem nach einem tiefen Teich und dem allgegenwärtigen Müll des Pfuhls gestunken hatte und dessen Samen aggressiv, wie etwas Lebendiges, durch seine Elbenmundhöhle bis in seine Nase geschossen war. Waiko hatte sich in dieser Nacht schmutzig und minderwertig gefühlt. Das kranke, grüne Gaslicht hatte ihn verspottet, ihn ausgelacht: Sieh dich an, armseliger Vertreter einer einstmals edlen Rasse! Was ist von euch übrig geblieben außer eurem blonden Haar, den dünnen Schnurrbärten und den spitzen Ohren? Ihr, die ihr einst durch Wälder rittet und die hektischen Städte mit ihren stinkenden Bewohnern miedet, seid blasse Kakerlaken geworden, die in Selbstmitleid versinken und doch nicht sterben können, jedenfalls nicht so rasch, wie ihr es euch wünscht. Nie wieder wird es so sein, wie es einst war!
    Doch die Kaunaps entschädigten ihn. Es war etliche Dekaden her, dass die Elben die letzten Reste ihrer inneren Stärke verloren und ihre Weisheit über Bord geworfen hatten, dass sie in die Städte gezogen und ein unbedeutendes Rädchen einer kalten, alles verschlingenden Industrie geworden waren. Die deprimierende Perspektivlosigkeit ihrer Situation schien sich sogar auf ihren Nachwuchs auszuwirken: Immer weniger Versierte waren unter den neugeborenen Elben Sdooms. Auch Waiko hatte an sich nie diesbezügliche Tendenzen bemerken können.
    Er dachte noch immer über die vier nach, als ein Geräusch aus dem immer dichter werdenden Nebel unmittelbar vor ihm erklang.
    Hätte er gewusst, was sich ihm da näherte, er wäre gewiss gerannt. Und Waiko konnte schnell rennen, sehr schnell.
    Es war, als materialisiere sich der prächtige Vulwoog direkt vor seinen Augen aus dem Nichts. Das Stöhnen und Ächzen aus seinem Dampfkessel klang wie ein unheilvolles Wehklagen, erfüllte von einem auf den anderen Augenblick die stille Nacht. Weißgrauer Dampf vermischte sich mit Nebel. Die dunkelblauen Yrithisfalter stürzten sich sogleich auf die hinter dem Glas flackernden Öllampen des Gefährts.
    Waiko spürte, wie sein Herz von innen gegen seinen Brustkorb hämmerte. Es war nicht das erste Mal, dass ihm ein Vulwoog in Foggats Pfuhl begegnete, aber noch nie war ein solches Gefährt derart plötzlich, wie ein keuchender Drache, vor ihm aufgetaucht, ein Drache, in dessen Rücken Röhren und Ventile steckten und aus dessen Gedärmen Fahrgäste durch ockerfarbene Fenster in die vorbeiziehende Nacht gafften.
    Die Häuser in Foggats Pfuhl, so sagte man, flüsterten stetig miteinander, und so manches geflüsterte Wort hatte in jüngster Vergangenheit auch Waikos spitze Elbenohren erreicht.
    Man sagte, dass den vieren das Schlimmste auf unbeschreibliche Weise widerfahren sei. Niemand wusste Genaueres, nur dass die Jungen auf bestialische Art und Weise zu Tode gebracht worden waren. Etwas Abnormes sei mit den Körpern geschehen, ein Zusammenspiel aus verbotener Thaumaturgie und unaussprechlicher Perversion.
    Seitdem herrschte unter den
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