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Der Elbenschlaechter

Der Elbenschlaechter

Titel: Der Elbenschlaechter
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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quietschten die Scharniere im Wind, der noch die Alkoholfahnen aus unzähligen Kehlen vor sich hertrieb.
    Jorge hatte die Nacht ebenfalls mit Trinken zugebracht, in seiner Stammkneipe Erlauchter Lurd am anderen Ende des Viertels. In den frühen Morgenstunden war er – wie üblich -besoffen wie ein Eber in sein Zimmer in der Zubergasse gewankt und nach Sekunden auf seiner Schlafstätte in ein traumloses Koma gefallen.
    Nach einem für Trollverhältnisse kurzen, aber erholsamen Schlaf hatte er sich am Morgen auseinandergerollt und die Reste eines gesottenen Krügerschweins vom Vortag vertilgt. Jorge liebte Krügerschweine, er verspeiste jede Woche mindestens acht Stück, mit Schwanz und Schnauze. Im Anschluss an dieses deftig-köstliche Frühstück hatte er beschlossen, den Tag mit einem kleinen Verdauungsspaziergang zu begrüßen. Nach wenigen Schritten an der frischen Luft hatte er jedoch festgestellt, dass der Durst der vergangenen Nacht mit Verstärkung zurückgekehrt war, und seine Schritte hatten ihn unweigerlich erneut die Säufermeile entlanggeführt.
    Von den nächtlichen Erlebnissen waren in seinem Gehirn nur noch verschwommene Eindrücke vorhanden. Es hatte da wohl einen Konflikt gegeben, einen Konflikt, der etwas mit seiner Definition von Betrug beim Kartenspiel zu tun hatte. Oder so ähnlich. Jorge konnte sich nicht an die Einzelheiten erinnern, schließlich hatte es wichtigere Dinge gegeben, mit denen er sich beschäftigen musste. Seine rechte Hand tat weh. Die fremden Blutspritzer und der abgebrochene Schneidezahn von Wem-auch-immer sahen auf seiner Lederkluft nicht gut aus.
    Allem Anschein nach hatte er den Konflikt nachhaltig gelöst.
    Jorge hörte auf zu pfeifen, legte den Kopf zurück und rülpste viehisch. Ein Geschmack nach halb verdautem Krügerschwein schoss in seinen Mund. Er zuckte die Achseln und stieß die angelehnte Tür des Entbeinten auf.
    Abgestandene Luft schlug ihm entgegen. Das zurückliegende nächtliche Gelage hing wie ein stinkender Schleier in der Luft: kalter Rauch, verschüttetes Bier, Paraffin, Schwefel, Urin, Erbrochenes, ein leichter Eisengeruch und vergammeltes Holz. An den Wänden hingen Geweihe von Harschtipplern und Ewusrauden, die zu jagen schon seit Langem verboten war. (Interessanterweise konnte man im Entbeinten nach wie vor ein vorzügliches Ewusraudensteak bekommen, wenn man ausdrücklich danach fragte.) Bläulicher Dunst, der vergessen hatte, sich zu verziehen, schwebte bewegungslos in der Mitte des Raumes. Die Tische, auf denen Kerzen in einfachen Metallhaltern standen, waren frisch gesäubert. Sie glänzten noch feucht, man sah die Schlieren, die das Putztuch hinterlassen hatte. Zusammengekehrter Unrat türmte sich neben der Tür, Scherben, Essensreste, Zigarrenstumpen.
    Jorge ließ seinen Blick fachmännisch über die Tische und die niedrige, dunkle Holzdecke zu den mit ehemals grünem Filz bedeckten Wänden schweifen, von dem vor lauter Brandlöchern kaum noch etwas übrig war. Tief sog er die Luft in seine Nüstern.
    Im gesamten Raum gab es nur ein schmales Buntglasfenster auf der rechten Seite, durch das kaum Licht fiel. Der Tresen lag in völligem Dämmerlicht. Unförmige Flaschen, die wie geschmolzen aussahen, reihten sich auf Regalen aneinander, gefüllt mit vielfarbigen Likören und selbst gebrannten Schnäpsen. Dazwischen verlor sich ein hellgelber Schrumpfkopf, vertrocknet und lächerlich. In seinen Augen steckten Korken.
    Der Wirt stand hinter der Theke, ein kleiner, dicker Mann in brauner Kluft, mit grauen Koteletten und einer schwarzen, flachen Mütze auf dem Kopf. Er war gerade dabei, Gläser in einen Schrank mit Türen aus gelbem Butzenglas einzusortieren. Ohne aufzublicken, sagte er: »Wir haben geschlossen, kommen Sie am Abend wieder. Verdammtes Dreckspack!«
    Jorge versuchte seit Jahren, einen Rat zu beherzigen, den ihm ein guter Freund, der zugleich sein Vorgesetzter war, einst gegeben hatte. Er lautete: »Fang nach Möglichkeit keinen Streit an – aber beende ihn immer.« Jorge, der ein Verfechter großzügiger Auslegungen war, hatte daraufhin vier goldene Regeln aufgestellt, wann er auf die diplomatische Beilegung eines Konflikts verzichten und guten Gewissens Kiefer zertrümmern durfte:
    - Erstens: bei trollspezifischer Provokation.
    - Zweitens: bei jeglicher Art von Grenzüberschreitung, verbal oder körperlich.
    - Drittens: wenn sein Gegenüber beschissen aussah und/oder sich genauso verhielt.
    - Viertens: wenn ihm der Sinn danach
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